Gartentour in Hamburg

Meinen jährlichen Hamburg-Besuch im August habe ich diesmal wieder genutzt, um einige Urbane Gärten zu besuchen. Über die Karte der anstiftung habe ich mir eine schöne Tour zusammengestellt. Nach drei Regentagen konnte es dann endlich losgehen!

Es beginnt mit einem Schulgarten
Ich beginne in der Schulgartenstrasse. Dem Namen nach würde man hier einen Schulgarten erwarten. Die Strasse direkt am Altonaer Volkspark heißt aber so, weil dieser Volksgarten nicht nur als Erholung sondern auch als Lehrgarten angelegt wurde. Hier war sozusagen die „Wiege der Umweltpädagogik“.

Kleingärten soweit das Auge reicht
Auf dem Weg vom Auto zum Garten begeistern mich erstmal die vielen Kleingärten. Autobahn und Flughafen sind zwar deutlich zu hören, trotzdem herrscht die typisch meditative „Gartenruhe“. In den Schrebergärten wird viel gewerkelt – nach den Regentagen zieht es natürlich jeden Gärtner in sein Grün. „Moin! Und was fürn schöner!“ werde ich über den Gartenzaun gegrüßt. Ich bummle durch die tiptop gepflegte Gartenidylle und wundere mich, dass manche Gartenhäuschen sehr nach Wohnhäuschen aussehen. Das nimmt man hier scheinbar nicht so eng, waren diese Gärten doch sicher in den 40er Jahren mehr als nur ein Hobby.

Luft für Altona – der Tutenberg-Garten in Altona
Der Altonaer Volkpark ist mir als geborene Hamburgerin total unbekannt, vielleicht weil wegen eigenem Garten Parkausflüge in unserer Kindheit eher selten waren. Dabei ist er mit 205 Hektar der größte Volkspark in Hamburg! Von der Anlage her ist er extrem streng, aufgeräumt und gepflegt. Wie heißt es so schön: „Symmetrie ist die Kunst der Armen“ – egal, mir gefällts. Angelegt wurde er 1914 von Gartenbaudirektor Ferdinand Tutenberg für die Stadt Altona (ja, damals war Altona noch eigenständig), um die Volksgesundheit zu erhalten.
http://www.hamburg.de/parkanlagen/4293230/volkspark-altona/
https://de.wikipedia.org/wiki/Altonaer_Volkspark

Mit geschultem Auge entdecke ich am Rande des Parks eine wild wuchernde Ecke – das muss der Gemeinschaftsgarten sein! Vor mir öffnet gerade ein früher Gärtner das Eingangstor und ich folge ihm. Der Permakulturgarten ist in verschiedene Beete und Zonen aufgeteilt, die allerdings mittlerweile schwer zu erkennen sind, denn alles ist ziemlich verwuchert. Beim Umhergehen entdecke ich ein kleines Glasgewächshaus, mehrere flache Bienenstöcke, ein Holzhäuschen als Terra-Preta-Toilette, Kompostkästen und einen Schuppen mit Lehmbackofen und Küche. Der Gärtner arbeitet im Gewächshaus und erzählt mir einiges über den Garten. Sein Augenmerk liegt leider hauptsächlich auf den vielen gemeinschaftstypischen Schwierigkeiten.
http://www.umweltgestaltung.org/

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Auf dem Rückweg zum Auto denke ich über Eigentum und Gemeinschaft nach. Wie schwer ist es doch für uns Ungeübte, ein solches Gemeinschaftsprojekt zu pflegen. Was entscheidet über Gedeih oder Verderb? Wieviel Zeit und Energie haben wir nicht nur für den Garten sondern auch für die Menschen? Hier kommt es mir vor, als ob die Schrebergärtner doch sehr viel zufriedener sind als die Gemeinschaftsgärtner. Aber das ist ja nur ein kleiner Ausschnitt eines größeren Projektes…

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Um die Ecke schaue ich mir kurz den Garten an, den die Gemeinschaft vor den Wohncontainern der Asylantenunterkunft angelegt haben.

 

Der Luthergarten in Bahrenfeld
Weiter geht’s zum Luthergarten. Dieser gehört zur Luthergemeinde Bahrenfeld. Das Grundstück liegt neben dem Altonaer Friedhof und einer russisch-orthodoxen Kirche. Leider handelt es sich aber noch nicht um einen Garten sondern um eine eingezäunte Baustelle, so dass ich gleich zu meiner dritten Station weiterfahre – der Motte in Altona.

Einfach mal die Kresse halten – die Motte in Ottensen
Die Motte in Ottensen – oder besser gesagt in Mottenburg – ist seit Jahrzehnten eine Instanz. Kulturzentrum, KiTa, Werkstätten… Seit ein paar Jahren halten sie hier Hühner in einem großen Gehege. In Bäckerkisten wachsen Kürbisse, Grünkohl und Tomaten.
http://www.diemotte.de/
oder direkt zum Grünanteil http://www.diemotte.de/de/kultur-bildung/gruenanteil-net

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Kultur & Energie im Bunker – das KEBAP in Altona
Nach einem stärkenden Mittagessen fahre ich zur Schomburgstrasse – dem Kulturenergiebunker KEBAP. In der Strasse mit den typisch norddeutsche Backsteinreihenhäusern der Nachkriegszeit entdecke ich ein Plakat zum Gemeinschaftstreffen und weiß mich in Projektnähe. Der Bunker liegt am Ende der Strasse vor einem Park, das Projekt macht durch Wohn-LKW´s am Straßenrand auf sich aufmerksam – etwas unfreiwillig, aber in meist friedlicher Ko-Existenz, wir mir später berichtet wird.

Begrüsst werde ich von Blütenduft und Schmetterlingen. Und dann von Saskia und Marlene, die das wuchernde Grün in den Hochbeeten zu beiden Seiten des Weges begutachten. In vielen Kästen wächst hier gesund und üppig verschiedenstes Gemüse. Ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem mit solarbetriebener Pumpe überbrückt die in Hamburg eher seltenen Trockenperioden. Auf dem Vorbau stehen Bienenstöcke und im schön bunten Gartenschuppen ein Lehmbackofen. Es gibt regelmässige Gemeinschaftstreffen mit gemeinsamem Kochen sowie öffentliche Veranstaltungen.

Der sehr engagierte Verein will den Bunker durch der Stadt Hamburg kaufen und dauerhaft zu einem Zentrum für Kultur und Energie gestalten.
http://kulturenergiebunker.de/

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Die Venus auf den Michelwiesen
Von der so erfreulichen Schomburgstrasse geht es weiter zum Venusberg. Auf dem Weg liegt das Gartendeck St.Pauli, doch das spare ich mir, weil schon so viel darüber berichtet wurde. http://www.gartendeck.de/

Also fahre ich über die Reeperbahn an der Großen Freiheit vorbei zum Venusberg. Die Reeperbahn bietet im Tageslicht ein erschreckend klägliches Bild und mir wird wieder einmal bewusst, wie aufgeräumt und ordentlich München doch ist – mit allen Vor- UND Nachteilen…

Den Urbanen Garten Venusberg gibt es seit Mitte 2013 und durch ihn komme ich in Stadtteile, die mir völlig unbekannt sind. Dieser liegt zwischen der Jugendherberge auf dem Stintfang vorne und dem Michelpark mit dem Verlagsgebäude Gruner & Jahr hinten, den Landungsbrücken unten und des Hamburgers Lieblingskirche, dem Michel oben. Alles in allem eine traumhafte Lage! Die Schiffszimmerer-Genossenschaft baute hier die backsteinroten Wohnriegel 1959 in großer Zahl und damaliger Mode. Heute ist dieses Viertel total hip, die vorgelagerten gewerblichen Flachbauten teilen sich alteingesessene Firmen, moderne Co-Working-Spaces und Werbeagenturen. Treffpunkt ist das sehr schöne café johanna.

Den Garten finde ich erst, als ich zwei Regenwassercontainer entdecke – ein sicheres Zeichen für einen Stadtgarten. Die sehr gepflegten Hochbeete stehen auf einem abschüssigen Grünstreifen unterhalb der Strasse, ein schmaler Weg schlängelt sich hindurch, eine Hochbeet-Bank lädt zum Verweilen ein. Mehrere Leute spazieren interessiert durch die Anlage. Auf dem Rückweg gehe ich noch zum Aussichtsplateau vor der Jugendherberge, entdecke dort den berühmten Hamburger Weinberg und bewundere den grandiosen Ausblick über die Elbe.
http://venusgarten.org/

http://www.hamburg-bist-du.de

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Impulse in der Rosenallee
Trotz des in Hamburg unerträglichen Autoverkehrs fahre ich noch in die Rosenalle. Hier gibt es eine Werkstatt für lernschwache und behinderte Jugendliche zur Tischlerin/Tischler (bei uns im Süden heißt das SchreinerIn). Die Straße hinter dem Hauptbahnhof macht keinen einladenden Eindruck und gehört deutlich nicht zu den hip-gentrifizierten Stadtteilen von Hamburg. Leider ist das Haus geschlossen und bietet mir daher keine Impulse, sondern nur einen unerträglichen Stau auf der Rückfahrt.

Ramckes Saisongarten
Um mich von der Autofahrt durch die Stadt zu erholen, radel ich zu Ramckes Saisongarten in der Feldmark. Die Feldmark gehört zum Stadtteil Eidelstedt, in dem ich aufgewachsen bin und war der Spielplatz meiner Kinderzeit. Überwogen früher Land- und Forstwirtschaft, hat sich die Feldmark in den letzten Jahren durch massiven Wohnungsbau im Stadtteil zu einem Naherholungsgebiet entwickelt. Bauer Krohn gibt es aber immer noch und Landwirt Ramcke hat einen Acker zu einem Gemeinschaftsgarten umgewandelt, in dem man sich einmieten kann.

In der wunderschönen Abendsonne gleicht der Saisongarten mit seinen vielen Sonnenblumen und Dahlien einem Paradies – trotz Autobahn- und Flugzeuglärm. Der Flughafen Fuhlsbüttel ist nah und die Flieger donnern im Minutentakt tief über uns hinweg. Die GärtnerInnen lassen sich davon nicht stören und geniessen ihr Grün. Einige Beete machen einen ungepflegten Eindruck, aber die meisten beeindrucken durch riesige Kürbisse, hohe Grünkohlpflanzen, dicke Weisskohlköpfe, gesunde Karotten. Ein Gärtner zeigt mir stolz seine Ernte an Zucchini, rote Bete und Kartoffeln und verrät mir das Geheimnis: Landwirt Ramcke liefert dem Tierpark Hagenbeck Rüben und bekommt dafür Elefantenmist – ein phantastischer Dünger!

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