Schnecken im Garten

Ganz klar, Gemüsegärtner*innnen würden auf diese Spezies gerne verzichten – der Schaden, den Nacktschnecken anrichten kann so enorm sein, dass man aufgeben möchte. Totzdem möchte ich an dieser Stelle dafür plädieren, systemisch zu denken und nicht mit scheinbar harmlosen Mitteln, wie „Bio-Schneckenkorn“ die Symptome zu lindern, statt die Ursachen zu verstehen. Um es vorweg zu nehmen, meiner Erfahrung nach helfen wirklich akribisch brückenfrei gehaltene Schneckenzäune ganz gut – auf dem Weg zum Beet sollten möglichst rauhe, trockene Oberflächen die Wanderlust der Nacktschnecken trüben. Wenn sich dies nicht verwirklichen läßt, ist meiner Meinung nach konsequentes Absammeln und an einem unproblematischen Ort aussetzen die beste Methode. Schneckenbretter vor den Beeten helfen dabei, die Tiere an einem Platz zu versammeln, sie können dann am Morgen bevor sie „ausrücken“ leicht abgesammelt werden. Für größere Gärten hat sich auch die Push&Pull – Methode bewährt. Ein paar lockende Salate als erste Beetumrandung, dahinter eine dichte Bepflanzung mit Pflanzen, die Schnecken nicht mögen, wie z.B. Ringelblume, Rainfarn, Ysop, Kerbel – und im inneren Kreis die gefährdeten Kulturen. Dies ist auch in Hinblick auf eine biodiverse Mischkultur wünschenswert.

Ich persönlich möchte mir nicht die Freude am Wachsen und Gedeihen im Garten durch ein tägliches Massaker an den Schnecken verderben. Die erste Garnitur zarter Salate – geschenkt – die geht in einem nassen Frühjahr an die Schnecken – ärgerlich, aber verkraftbar, finde ich. Wir urbanen Gärtner*innen müssen ja nicht von den Erträgen des Gartens leben. Landwirt*innen und professionelle Gärtnereien sind ganz anderen Zwängen unterworfen, deswegen ist auch im Biolandbau Schneckenkorn auf Eisen-III-Phosphat-Basis erlaubt. Noch. Bei uns. Aber dazu später mehr.

Als Langzeitstrategie und Herausforderung für engagierte Biogärtner*innen kann man die „Schneckenplage“ aber auch als Warnsignal verstehen, als Hinweis, dass das Ökosystem Garten nicht optimal eingerichtet ist, dass Fraßfeinde der Nacktschnecken fehlen. Kein Wunder – in unseren aufgeräumten Gärten gibt es oft zu wenig Rückzugs- und ungestörte Überwinterungsmöglichkeiten für Igel & Co.

Schnecken haben in freier Natur Dutzende Frassfeinde, aber welcher Garten bietet sicheren Lebensraum für diese Arten, die die Zahl der Schnecken oder ihrer Eier regulieren?

  • Frösche, Kröten, Blindschleichen, Eidechsen, Lurche, Salamander, Ringelnattern
  • Tigerschnegel
  • Igel, Maulwürfe, Spitzmäuse
  • Amseln, Drosseln, Elstern, Fischreiher, Möwen, Saatkrähen, Spechtmeisen, Stare, Würger
  • Glühwürmchen, Laufkäfer, Leuchtkäfer, Marschfliegen sowie deren Larven, Aaskäfer, Goldlaufkäfer, Halbflügler, Hundertfüßer, Kurzflügelkäfer, Weberknechte, Weichkäfer
  • Nematoden

Wilde Ecken, heimische Gehölze, Benjeshecken, permanente Totholz -und Laubhaufen, Teiche und Trockenmauern u.v.m. schaffen Refugien für zahlreiche Arten im Garten, und je biodiverser ein Garten ist, desto stabiler ist auch ein kleines Ökotop.

Ein weiterer Umstand zieht die Nacktschnecken magisch an: Häufig bekommen unsere Kulturpflanzen zuviel Nährstoffe. Zuviel Nitrat schwächt die Zellstruktur, die Blätter werden schnell groß, sind aber dünn und lapprig. Weiche, zarte Blättchen fressen viele Nacktschnecken gern, weil es besonders einfach ist. Ein festes junges Kürbisblatt ist zu rauh und bietet ihrer Raspelzunge zu viel Widerstand. Die überdüngten hellgrünen weichen Blättchen sind dagegen leichte Beute.

Aber warum nicht einfach mit Schneckenkorn die besonders gefährdeten Beete schützen?

Es gibt ja Bio-Schneckenkorn, das auch im Ökolandbau zugelassen ist, das kann doch nicht so schlimm sein?

Die Geschichte des Schneckenkorns geht denselben Gang wie die aller chemisch-synthetischen „Pflanzenschutzmittel“:

Erst hochgelobt und viel verwendet, gemäß der (industriefinanzierten) Studienlage gefahrlos, biologisch abbaubar, unbedenklich…….

Dann werden meist von unabhängigen Instituten doch erhebliche Folgeschäden festgestellt, aber dann sind die Stoffe schon ausgebracht und belasten auf lange Zeit Böden, Grundwasser, Flora und Fauna. Im besten Fall werden dann Verbote ausgesprochen, dies ist aber meist ein quälend langsamer Prozess, gegen den sich Hersteller und Lobbyisten mit Händen und Füßen wehren.

So auch beim Schneckenkorn:
Methiocarb – seit 2014 verboten.
Metaldehyd – seit 2022 in England verboten.

Bei beiden lange Zeit auch in Hausgärten ausgebrachten „Pflanzenschutz“-Mitteln wurden Anreicherungen im Grundwasser und erhebliche Giftigkeit für Gewässerorganismen und auch für Säugetiere nachgewiesen.

Und nun gibt es aufgrund von aktuellen Studien die ersten Einschränkungen für Bio-Schneckenkorn auf Eisen-III-Phosphat-Basis, das unter den Namen Ferramol (Neudorff) und Biomol (Bayer) vertrieben wird.

Die genauen Rezepturen sind geheim, neben Eisen-III-Phosphat, das praktischerweise auch ein potenter Dünger ist, wird der nicht biologisch abbaubare Komplexbildner EDTH (Ethylendiamintetraessisäure) zugesetzt. EDTH kann schwerlösliche Schwermetallsalze aus Böden lösen und wenn es zerfällt, diese im Boden freisetzen und damit bioverfügbar machen. Das Umweltbundesamt mahnt deswegen an, diesen Komplexbildner durch andere, biologisch abbaubare zu ersetzen.

Ein weiteres Problem entsteht durch Verunreinigungen des Phosphats: Aus Sedimenten gewonnenes Rohphosphat ist häufig mit Uran und Cadmium kontaminiert.

In Schweizer Bio-Betrieben ist Ferramol und Biomol nur noch für die Anwendung besonders gefährdeter Kulturen erlaubt. Die amerikanische Aufsichtsbehörde wollte schon 2012 Ferramol verbieten, was ihr wegen der damals nicht ausreichender Studienlage nicht gelang.

Neuere Studien, wie zum Beispiel von Duo, el al. 2019 weisen negative Auswirkungen auf Bodentiere nach.

Ich denke, das sind genug Argumente gegen die Verwendung dieser Substanzen in Privatgärten oder urbanen Gärten ohne ökonomischen Druck.

Auch Bio-Schneckenkorn, wie auch selbstgebraute Pestizide wie Chillie-Kaffee-Pulver, Bierfallen und andere aggressive Abwehrmethoden töten nicht nur die unerwünschten Schädlinge, sondern dezimieren auch die so dringend erwünschten Nützlinge, wie den Tigerschnegel, die Weinbergschnecken, Weberknechte, Spinnen, Bodentiere…..

Vögel fressen kontaminierte Kleintiere oder Samen und werden ebenfalls geschädigt.

Schnecken, die Ferramol-Körnchen aufgenommen haben, verhungern quälend langsam, da sie nicht mehr fressen können. Es kann Wochen dauern bis sie tot sind – sie können währenddessen aber noch Eier ablegen, sich also vermehren. Das ist der Grund, warum trotz Schneckenkorngebrauchs neue Generationen das Gemüsebeet plündern.

Ich persönlich möchte auf jeden Fall das Warnsignal, das eine zunehmende Schneckenplage im Garten aussendet nutzen, um eine Gartenumgestaltung in Richtung Biodiversität in Gang zu bringen.

Der urbane Garten als wertvolles Ökotop – als Lebensinsel – mit vielen permanenten Refugien und Rückzugsmöglichkeiten für Nützlinge und bedrohte Arten.


Quellen:

Ausführliche Informationen des UBA zu Schnecken im Garten und Bestimmungen bezüglich Pestizide: https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/garten-freizeit/nacktschnecken#hintergrund

Studie Duo, et al. 2019: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0045653518324342?via%3Dihub

Schweizer Bestimmungen bez. Ferramol: https://www.fibl.org/fileadmin/documents/shop/1004-schnecken.pdf

https://schneckenhilfe.de/schneckenkorn-gefahren-risiken-und-probleme-was-sind-alternativen/embed/#?secret=W4ykFC7Kl0#?secret=pje2Dsyvkd