Die urbanen Gärten München wollen 2026 in einer neuen Reihe verschiedene Gemüse-Anbausysteme, die sich gut für urbane Gärten eignen, vorstellen und machen im Thema des Monats Dezember den Anfang. Am 29. Januar 2026 wird es dann zum Thema 4-Felder-Rotations-Mischkultur ein Webinar geben – die Ankündigung mit Anmeldungsmöglichkeit erscheint demnächst in unseren Terminen.
Biointensiv und regenerativ – Geht das denn?
Biointensiv:
Ein Prinzip des traditionellen Biolandbaus war lange Zeit die Extensität. Daher war auch der Flächenertrag im Biolandbau früher wesentlich geringer. Intensiver Anbau wurde als Raubbau an der Bodenfruchtbarkeit angesehen und bei der konventionellen Landwirtschaft verortet. Diese wiederum hat dem Biolandbau lange Zeit vorgeworfen, die Böden auszulaugen, da sie keine Mineraldüngung zuließ und so die im Boden gebundenen Nährstoffe mit dem Erntegut vermeintlich verliere und nicht ersetze. Dieses – seit Adolph Stöckharts und Justus von Liebigs in „chemischen Feldpredigten“ ab Mitte des 19. Jahrhunderts gelehrte Mineralstoff-Paradigma, das auch heute noch von vielen Landwirten vertreten wird, (obwohl es Liebig in seinem Alterswerk selbst revidiert hat), beruht auf mechanistischen Vorstellungen von dem Zusammenspiel von Pflanzen und Boden.
Neuere Forschungen haben längst nachgewiesen, dass Biogemüse- und Bioackerbau mit bodenschonenden- und humusaufbauenden Methoden genauso ertragreich und im Klimawandel sogar ertragskonstanter sein kann, wie intensive, chemische Landwirtschaft, die einen wesentlich höheren Input an klimaschädlichen Mineralölprodukten, Energie, Wasser und mehr Folgeschäden, wie die Anreicherung der Ackergifte in Boden, Pflanzen, Tieren und Menschen, und viele weitere Folgeschäden, wie Nitratbelastung des Grundwassers zu verzeichnen hat.
Regenerativ:
Mehr Ertrag, bei weniger Ressourceneinsatz, weniger Raubbau und Umweltverschmutzung, und auch noch giftfreie, gesündere Lebensmittel?
Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Geht aber tatsächlich – ist nur arbeitsintensiver. Alle neutralen Forschungsinstitute sagen das, in Deutschland z.B. das renommierte Thünen-Institut.
Nicht humuszehrend, sondern humusmehrend arbeiten ist die Devise.
Um das zu erreichen, kombiniert die Regenerative Landwirtschaft verschiedene Methoden, Humus aufzubauen miteinander. Das kann je nach Kultur, Boden, Klima verschiedene Maßnahmen beinhalten – ist aber immer ein komplexes Gesamtkonzept, an dem laufend geforscht wird, bei dem traditionelle Techniken und weltweites Erfahrungswissen mit einbezogen werden. Das Geniale ist, dass durch diese Art der Bewirtschaftung der Klimaerwärmung entgegengewirkt werden kann und die Artenvielfalt gefördert wird.
Die Rekarbonisierung der Böden ist übrigens auch eine Forderung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDG Nr. 15: Leben an Land; Degradation der Böden)
Fazit: regenerative Bio-Mischkultur ist eine einfache und kostengünstige Strategie, bei der alle nur gewinnen können – sagt auch der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung….
Warum ist organische Substanz (Humus) im Boden so wichtig?
- Humus macht den Boden fruchtbar
- Humus macht den Boden zum Lebensraum
- Humus speichert Kohlenstoff im Boden
- Humus sorgt für ein gut durchlüftetes, lockeres Bodengefüge
- Humus macht den Boden zum Wasserspeicher und verhindert Erosion und Verdichtung
- Humus wirkt wie ein Filter
Grundprinzipien beim nachhaltigen Ackern
- Den Boden als Lebensraum verstehen und stärken: Langfristige Erhöhung des Humusgehaltes des Bodens durch Mulch, Kompost, Wurzeln stehenlassen, Gründüngung, Fruchtfolge und Mischkultur
- Respekt vor der Natur: Kein Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel und Dünger; Kriegsvokabeln vermeiden: Schädlinge müssen nicht ausgerottet werden, sondern geben Einblick in den Kreislauf der Natur; Pflanzen natürlich stärken durch Nützlinge und Helfer
- Ressourcen schonen und Pflanzen ganz verwenden: So wenig Bewässerung wie möglich, Hacken und Mulchen statt Wässern; so wenig wie möglich Fremdkörper, v.a. Erdölbasierte einbringen. (Plastik, Folien, Farben, Lacke, etc.)
- Vielfalt erhalten Vielfältige, regionale, auch alte Arten und Sorten; Verwendung samenfester Sorten; Saat- und Pflanzgut nur aus ökologischer Züchtung und eigenem Nachbau; bestäuberfreundliche Blütenpflanzen, das ganze Jahr hindurch.
Die Pflanze und ihr Boden – Pflanzen sind nicht passiv!
The circle of life:
Pflanzen haben die einzigartige Fähigkeit mittels Photosythese aus CO2, Licht und Wasser die für ihre Ernährung notwendigen Zucker und als Abfallprodukt Sauerstoff herzustellen.
40 -60% der Photosynthese-Produkte geben sie über Wurzelausscheidungen an den Boden ab. Damit lockt und ernährt die Pflanze ihre spezifischen Bodenlebewesen, die für sie die bodenbürtigen Nährstoffe aufbereiten. Im Grenzbereich zwischen Wurzel und Boden laufen ständig symbiotische Prozesse ab, an denen die Pflanzen, Pilze, Mikro, -Meso- und Makrofauna und auch der Mineralkörper des Bodens im ständigen Austausch sind. Die für uns gewohnte strikte Trennung von anorganischer und organischer Chemie verschmilzt in der sog. Rhizosphäre zu einem Lebensraum.
Bei der Zersetzung des organischen Materials der abgestorbenen Pflanzen und Tiere durch die Bodenlebewesen werden Pflanzennährstoffe und Kohlenstoff zurück in den Boden gebracht. (Mineralisierung und Humifizierung)
Bei der Entnahme von Erntegut gehen genau diese Zersetzungsprodukte, also der Humus, dem Boden verloren. Um dem Humusverlust entgegenzuwirken, muss organisches Material eingebracht werden – als Futter für die Bodentiere.
Vielfraße und Hungerkünstler
Die geschickte Kombination von Pflanzen mit unterschiedlich hohen Nährstoffansprüchen ist eines der wichtigsten Grundprinzipien im Ökolandbau. Leguminosen sowohl als bodenverbessernde Gründüngung, als auch für die hochwertige, pflanzliche Eiweißversorgung von Tier und Mensch werden in der zukünftigen Landwirtschaft einen noch sehr viel wichtigeren Platz einnehmen.
- Starkzehrer: Kohle, Kürbis, Zucchini, Sellerie, Zuckermais, Kartoffeln, Tomaten, Aubergine.
- Schwachzehrer: Bohnen, Bohnenkraut, Basilikum, Dill, Erbsen, Feldsalat, Kerbel, Löffelkraut, Radieschen
- Mittelzehrer: Mehr oder weniger alles andere, bei Salaten sortenabhängig
- Leguminosen: Als Leguminosen wird die Pflanzenfamilie der Schmetterlingsblüter bezeichnet, die etwa 17.000 Arten umfasst. Sie werden auch Hülsenfrüchtler genannt. Durch Symbiose mit Knöllchen-Bakterien binden sie Luftstickstoff, der sie selbst ernährt und auch den Boden mit Stickstoff anreichert. Körnerleguminosen: Kichererbsen, Bohnen (Buschbohnen, Stangenbohnen, Sojabohnen), Erbsen, Linsen, Erdnüsse, Lupinen; Futterpflanzen für die Viehhaltung: Klee, Luzerne; Bäume, Zierpflanzen: z.B. Akazien und Glyzinien
Fruchtfolge, Fruchtwechsel und Mischkultur
Kulturpflanzen entziehen den Boden Nährstoffe, ihre Wurzelausscheidungen über lange Zeiträume hinweg können das Wachstum beeinträchtigen, bei Monokulturen wächst die Gefahr von Infektionen und Schädlingsbefall. Durch Fruchfolge – d.i. die zeitliche Abfolge der verschiedenen Kulturen – und Mischkultur – die Zusammensetzung unterschiedlicher Kulturen zur gleichen Zeit auf einem Beet – kann dem gezielt entgegengewirkt werden. Wenn die Beete räumlich und zeitlich voll ausgenutzt werden, entsteht durch den bodendeckenden Dauerbewuchs ein günstiges Mikroklima. Zuletzt bleibt das Gemüse mit der längsten Reifezeit zurück und kann sich noch ausbreiten, während als Nachkultur Gründüngung nachwachsen kann.
Fruchtfolge/Fruchtwechsel – Planung des zeitlichen Ablaufs der Kulturen. Anbauplanung innerhalb eines Jahres mit Vor – Haupt – Nachkultur, sowie die Planung der Kulturenabfolge für mehrere Jahre.
Mischkultur betrachtet auch den räumlichen Aspekt , nämlich die Anordnung der verschiedenen Kulturen auf einem Beet: Eine gute Nachbarschaft der Pflanzen und gegenseitige Unterstützung soll gefördert werden, z.B. hinsichtlich Größe, Wurzeltiefe, Wachstumsschnelligkeit, Nährstoffbedarf, Schädlingsabwehr etc.
Gute Nachbarn
- halten Schädlinge fern
- verbessern Ertrag und Qualität
- wachsen zusammen und schatten das Beet ab, so dass die Bodenverdunstung vermindert und Unkraut unterdrückt wird. Manchmal wachsen sogar die Wurzeln unentwirrbar zusammen
- verhindern die Keimung schädlicher Pilze, weil der spezielle chemische Reiz, der die Sporenkeimung auslöst, durch andere Düfte überlagert wird
- wie Knoblauch tötet manche Pilze bzw. Bakterien ab
- wie Kamille, Lilien, Mädchenauge, Ringelblumen, Sonnenhut und Tagetes wirken gegen Nematoden und befreien Rosengewächse von diesen parasitierenden Fadenwürmern
- füllen Lücken z.B. durch schnell reifenden Salat
- liefern gleichzeitig gutes Mulchmaterial
- ergänzen sich: Z.B. Tief- und Flachwurzler, Stark- und Schwachzehrer
Schlechte Nachbarn
Generell sollten Pflanzen derselben Familie nicht aufeinanderfolgend an derselben Stelle kultiviert werden. Nur Rhabarber und Tomaten können lange Zeit auf demselben Boden verbleiben. Pflanzen der folgenden Gattungen vertragen sich nicht gut miteinander:
- Kreuzblütler, z.B. Blumenkohl, Brokkoli, Chinakohl, Goldlack, Grünkohl, Kohlrabi, Kresse, Mairübe, Radieschen, Rench, Rosenkohl, Rukola, Senf, Wirsing.
- Hülsenfrüchtler, z.B. Bohnen, Erbsen, Linsen, Lupinen, Pukohnen, Wicken
- Doldenblütler, z. B. Dill, Fenchel, Kerbel, Kümmel, Liebstöckl, Möhren, Pastinaken, Petersilie, Sellerie
Manche Pflanzen wachsen schlechter, wenn als Vorkultur bestimmte andere Pflanzen angebaut werden, zum Beispiel: Spinat – Blumenkohl, Bohnen – Erbsen und umgekehrt, Zuckermais – Zwiebelpflanzen.
4-Felder-Rotations-Mischkultur mit Brachejahr – ein einfaches Anbausystem für urbane Gemeinschaftsgärten
Die längste Zeit in der Geschichte der Landwirtschaft hat die Menschheit das Geheimnis der Bodenerholung und des Humusaufbaus durch wechselnde Fruchtfolgen und Brachejahre gekannt. Seit Aristoteles wurde über Bodenfruchtbarkeit und Humustheorie philosophiert und Bodenruhe praktiziert. Von der römischen 2-Felder, bis zu neuzeitlichen 3-Felder und 4-Felder-Wirtschaftsformen haben Landwirt*innen und Gärtner*innen immer versucht, für den Erhalt ihrer natürlichen Lebensgrundlage – den Boden gut zu sorgen.
Ein einfaches Konzept, das den bäuerlichen Gemüsegärten entlehnt ist, ist die 4-Felder-Rotation, die man auch sehr attraktiv um ein schön gestaltetetes Mittelfeld gruppieren kann. Es eignet sich auch für kleine Flächen in urbanen Gärten. Durch das Brachejahr und durch das Wechseln der Leitkulturen wird der Bodenauslaugung vorgebeugt, so dass die Gärtner*innen bei den Begleitkulturen freie Wahl haben und nach Herzenslust gestalten können. Wichtig ist nur, den Wildwuchs der Brache nicht vom Beet zu schaffen, sondern nach dem Mähen im Herbst das Grüngut als Mulch auf dem Beet zu lagern und auch die Wurzeln in der Erde zu belassen, so dass möglichst viel Biomasse von den Zersetzern und Bodentieren wieder in den Boden eingearbeitet wird.
Rotation entgegen dem Uhrzeigersinn.
Die GärtnerInnen bleiben auf ihren jeweiligen Parzellen (1, 2, 3 oder 4,) um alle Kulturen und die Brache mitgestalten und erleben zu können. Im vierten Jahr können sie Pause machen und den Wildwuchs beobachten.
Was bringt das Brachejahr?
Wir bauen biologisch an und düngen nur organisch z.B mit verschiedenen Kompost, Jauchen und Gründüngung. Gleichzeitig wollen wir aber aus den kleinen Parzellen möglichst viel und vielfältige Gemüse gewinnen. Es besteht die Gefahr, dass wir humuszehrend wirtschaften, also dem Boden die Biomasse, und damit die Nährstoffe, die wir mit dem Erntegut entnehmen nicht wieder zuführen. Dadurch kann es zur Bodenermüdung kommen. D.h. der Boden als Lebensgemeinschaft, die lebendige, fruchtbare Humusschicht degradiert – der Boden verliert seine Fruchtbarkeit. Die uralte Agrartechnik der Brache oder Bodenruhe sorgt dafür, dass sich stark beanspruchte Parzellen im regelmäßigen Turnus regenerieren können. Unser Ziel ist es humusmehrend zu wirtschaften – also trotz unseres intensiven Bioanbaus die wertvolle Humusschicht des Bodens zu verbessern und zu vermehren. Unsere Praktiken tragen dadurch auch zur Festlegung von Kohlenstoff im Boden bei und sind ein positiver Beitrag zum Klimaschutz. Ihr merkt eine Verbesserung an der immer dunkler werdenden Farbe eures Bodens, der Vielfältigkeit des Bodenlebens und einer guten Krümelstruktur.
Bei Beginn der Rotation kann es in den ersten 2 Jahren zu Unregelmäßigkeiten in der Abfolge der Leitkulturen kommen, je nachdem, wie die Beete vorher bepflanzt waren. Das macht nichts – ab dem 3. Jahr hat sich die Rotation dann eingespielt und kann endlos weitergeführt werden.
Die Gärtner*innen können in Kleingruppen je ein Feld bewirtschaften und die allmähliche Veränderung der Bodengüte und Bodenfruchtbarkeit ihres Beetes miterleben. Wenn der Humusaufbau gelingt, wachsen die jeweiligen Kulturen auch mit wenig Düngung sehr gut, und der Boden wird belebter, feinkrümeliger und dunkler. Alle Gärtner*innen werden so mit den Jahren durch ihr Erfahrungswissen zu gleichberechtigten Gemüsebau -„Expert*innen“ – es bilden sich nicht, wie bei sehr komplexen und aufwändigen Mischkultursystemen Hierarchien innerhalb der Gemeinschaft aus.
Text und Grafik: Ruth Mahla




