„Den Garten winterfest machen –
welche Bedeutung hat diese geläufige Redewendung eigentlich genau?“ fragte sich Konrad Bucher in seinem Beitrag, den er in Vorbereitung auf die winterliche Gartenführung am 30. November 2024 in den ÖBZ-Gärten veröffentlicht hat. „Naturnahe Gärten verstehen den Garten nicht nur als Nutzgarten, der nach rein praktischen Kriterien funktioniert, sondern als Lebensraum für möglichst viele Insekten, Vögel und andere Gartenbewohner. Und da man weiß, dass Vögel gerne die Samen von stehengebliebenen Blumen fressen und Insekten im Schutz der Pflanzenmasse überwintern, werden die Beete eben nicht abgeräumt. Es soll möglichst viel bis zum nächsten Frühjahr stehen bleiben.“
Bei seinem einführenden Vortrag präsentierte uns Konrad Bucher typische Nahrungs- und Habitatpflanzen, die im Wildgarten des ÖBZ bewußt stehen gelassen werden.
…und die beim Gartenrundgang im herrlichsten Sonnenschein mit ihrer fragilen Schönheit bezaubern.
Alle diese Schönheiten tragen mit ihren Samen dazu bei, dass für Vögel auch im Winter der Tisch reich gedeckt ist und/oder dass Insekten in der schönen Jahreszeit Nahrung und im Winter Unterschlupf finden.
Besonders imposant sind die Wilden Karden, die wegen ihrer nahrhaften Samen gerne von ganzen Trupps von Stieglitzen besucht werden.
Foto: Catherina Schroell
Manche Tiere sind aber auch eine Herausforderung für die Gärtner*innen:
Damit die winzige Ameisenspringspinne ihr röhrenförmiges Gespinst in die dünnen hohlen Halme vom Schnittknoblauch weben und sich vermehren kann, müssen die trockenen Stängel in der kommende Garten-Saison stehen bleiben dürfen.
Foto: Anette Berger
Wer das im Garten nicht mag, kann auch einen besonderen Ablageplatz für trockene Stängel und Staudenschnitt in einer ungestörten Gartenecke einrichten, anstatt alles zu häckseln und zu kompostieren. Dadurch haben viele Lebewesen die Chance eine dauerhafte Heimat im Naturgarten zu finden.
Wildbienen
Solitär lebende weibliche Wildbienen versorgen ihre Brut im Boden, im Altholz und in hohlen Pflanzenstängeln. Die Eier werden in einzelnen Brutkammern abgelegt, mit Proviant aus Nektar und Pollen versehen und die Zellen verschlossen. Die Larven entwickeln sich bereits nach wenigen Tagen und verpuppen sich. Als Puppen überstehen sie den Winter, sofern ihre Plätze ungestört bleiben. Im Frühjahr schlüpft die neue Generation aus ihren Brutzellen heraus und freut sich über ein reichhaltiges Nahrungsangebot an frühblühenden Geophyten und Gehölzen.
Falter
Falter und Schmetterlinge überwintern je nach Art als Ei, Puppe, Raupe oder im Kokon. Einige Wanderfalter ziehen im Winter in wärmere Gefilde und robuste Arten wie der Zitronenfalter haben „Frostschutzmittel“, die es ihnen ermöglicht, als Falter auch Minusgrade zu überstehen.
Über 50 % aller Tag- und Nachtfalterarten sind auf der Roten Liste als gefährdet oder bedroht eingestuft, weil ihr natürlicher Lebensraum verschwindet. Viele Arten sind auf bestimmte Pflanzen und ihre Blüten spezialisiert, sowie viele Pflanzen die jeweiligen Falter als Bestäuber brauchen – fehlen zuviele Arten in diesem Beziehungsgeflecht, können ganze Ökosysteme zusammenbrechen. Wir können in unseren urbanen Gärten einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass unsere einheimische Flora und Fauna überlebt und uns von der wunderbaren Schönheit des vielfältigen Lebens beglücken lassen. Was wäre der Sommer ohne die prachtvollen Schmetterlinge!
Der Schwalbenschwanz, unser wahrscheinlich schönster Schmetterling, liebt zum Beispiel den Gewürzfenchel. Die erste Generation klebt die Eier im Mai an die Raupennahrungspflanzen, und 8-10 Tage später schlüpfen die nach mehreren Häutungen so auffällig gefärbten Raupen. Diese verpuppen sich wenig später, wobei sie sich fest an den Pflanzenstängel anspinnen. Aus der Puppe schlüpft der prachtvolle fertige Tagfalter.
Spätere Generationen des Schwalbenschwanzes können auch als Puppe an die Pflanzenstängel angeschnürt überwintern. Deswegen ist es so wichtig, im Garten die Nahrungspflanzen der Schmetterlingsraupen im Winter stehen zu lassen.
Auführliche Informationen zu den Lebenszyklen und Überwinterungsstrategien aller heimischen Falter findet man beim BUND Rheinland-Pflalz
Biodiversität und ästhetisches Empfinden
Ein urbaner Garten, der sich zum Naturgarten weiterentwickeln möchte und eine Lebensinsel für möglichst viele einheimische Tier- und Pflanzenarten werden möchte, sollte deswegen für Nahrung und Lebensraum das ganze Jahr über sorgen. Wer sich über die Lebensweise unserer Wildtiere näher informieren möchte, dem sei die Website der deutschen Wildtierstiftung empfohlen.
Konrad Bucher meint, dass sich mit dem Wissen um die Zusammenhänge auch das Verständnis dafür, was als schön empfunden wird, verändert – Wir schätzen und lieben nur, was wir kennnen. Ich persönlich habe noch nie anders empfunden – ich sehe in der Natur nicht das chaotische Unaufgeräumte, ich sehe die Strukturen in der Vielheit und fühle mich geborgen im vermeintlich Wilden.
Aber auch alle Gärtner*innen, die gerne etwas Ordnung im Gemüsebeet oder in der Staudenrabatte haben und auf die Vorteile eines sich im Frühjahr schneller erwärmenden offenen Bodens an manchen Stellen nicht verzichten möchten, tragen zur biologischen Vielfalt bei. Es gibt auch Arten, die von gartentypischen Pflegemaßnahmen profitieren. Auch hier kommt es auf die Vielfalt an – ein urbaner Garten sollte möglichst für alle Lebewesen einen geeigneten Lebensraum bieten – auch für die Menschen, die ihn pflegen.
Galerie der Winterschönheiten
Quellen:
Konrad Bucher/BioDivHubs; Deutsche Wildtierstiftung; BUND Rheinland-Pflalz
Text: Ruth Mahla;
Fotos: Anette Berger, BUND, Catherina Schroell, Johanna Saumweber, Ruth Mahla