Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz der Landeshauptstadt München (LHM) fasst die Ergebnisse der stadtklimatischen Untersuchungen, die in Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst für die Fortschreibung des Klimaanpassungskonzepts erstellt wurden, kurz zusammen:
„Der Klimawandel ist weltweit und auch in München spürbar. In der Landeshauptstadt findet er sogar schneller statt als im globalen Mittel. Im Vergleich zum vorindustriellen Niveau ist die Jahresmitteltemperatur in München um über 2 °C gestiegen, global um etwa 1,1 °C.
Der Klimawandel verändert nicht nur die Temperatur, sondern hat auch Einfluss
auf die Niederschläge in München. Dieser Effekt wird durch den städtischen Wärmeinseleffekt noch verstärkt. Die Sommer werden heißer, die Winter milder und eine tendenzielle Verschiebung des Jahresniederschlags zeigt sich seit Jahren. Wir erwarten längere Trockenphasen und müssen uns gleichzeitig vermehrt auf Starkregenereignisse einstellen. Selbst wenn die Ziele der UN-Klimakonferenzen eingehalten werden können, ist gemeinsames und entschlossenes Handeln im Klimaschutz und in der Anpassung an die Folgen des Klimawandels existentiell notwendig.“
Ein fürs urbane Gärtnern wichtiger Faktor sind die Hitze- und die Frosttage: In der folgenden Abbildung aus dem Klimaanpassungskonzept sieht man auf einen Blick, dass in unserer Lebenszeit eine dramatische Veränderung stattgefunden hat – sehr viel mehr heiße Tage stehen sehr viel weniger Frosttagen gegenüber.

Insgesamthaben wir es zunehmend mit folgenden Veränderungen zu tun:
- Niederschlagsabnahme und erhöhtes Trockenheitsrisiko im Frühjahr
- Kontinuierliche Erwärmung mit erhöhter Hitzebelastung im Sommer
- Mehr Sommer- und Hitzetage, anhaltende Trocken- und Hitzeperioden im Sommer
- Lange Trockenperioden unterbrochen von heftigen Starkregenereignissen im Sommer
- Niederschlagszunahme im Sommer, erhöhtes Hochwasser- und Erosionsrisiko
- Milderes Herbst- und Winterklima mit weniger Frosttagen
Mehr Infos und alle Karten der Stadtklimaanalyse findet ihr hier bei www.muenchen.de:
Münchner Stadtklima und Klimaanpassung
PDF: Bericht Stadtklimaanalyse
PDF: Karten der Stadtklimaanalyse
PDF: Klimaanpassung in München – Fortschreibung des Klimaanpassungskonzepts I
Die Daten der Phänologischen Uhr des Deutschen Wetterdienstes geben auch sehr eindrucksvoll diese Trends wieder.

Klima wandelt Städte: Viel Pflanze hilft viel!
Dieses schöne Leitmotiv des Klimawandel-Gartens der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in der Ludwigsstr.2, der viele Ideen und Anregungen zur Anpassung von Gärten und Grünflächen an den Klimawandel zeigt, sollte für die Verantwortlichen in Politik und Stadtverwaltung und auch für die urbanen Gärtner*innen Pflichtprogramm sein.
Gegen alle klimatischen Veränderungen, die im Zuge des Klimawandels und verstärkt durch unsere weiterhin ungehemmte Praxis der Bodenversiegelung das Leben in unseren urbanen Quartieren erschweren, hilft mehr urbanes Grün.
Wegen der Wärmespeicherung und -abstrahlung der Bebauung kann es in dicht bebauten Stadtteilen bis zu 10°C wärmer werden als im Umland. Heiße und sehr heiße Tage über 30°C und die immer häufigeren Tropennächte mit Temperaturen über 20° C stellen gewichtige neue Gesundheitsrisiken auch in unseren Breiten dar.
Üppiges Grün in Gärten, Parkanlagen, Hinterhöfen, Balkonen, Gebäudefassaden und als Straßenbegleitgrün mäßigt das Stadtklima durch:
- Schutz vor Einstrahlung und Erwärmung
- Erhöhung der Wasserspeicherung und Verdunstungskühlung
- Lärmschutz und Luftreinigung
- Aufnahme von Kohlendioxid und Produktion von Sauerstoff
- Wind- und Erosionsschutz
Quelle: Pflanze kann Klima – der Klimawandelgarten
Urbangärtnerische Anpassungsstrategien
Erfreulicherweise entsprechen die meisten erfolgreichen Strategien für klimaresilientes Gärtnern den Prinzipien, die man schon immer im (Verbands-)Biolandbau beachtet. Im Biolandbau oder der regenerativen Landwirtschaft steht der lebendige Boden als komplexer Lebensraum und wichtigster Bodenschatz immer im Mittelpunkt.
Im Bioanbau ernähren wir durch Mulchen, Kompost und anderen Formen der organischen Düngung – und die Pflanzen mit ihren Wurzelexudaten – die Bodenlebewesen, die durch ihre unermüdliche Zersetzungsarbeit wiederum die Nährstoffe für die Pflanzen zur Verfügung stellen. Dieser „Kreislauf des Lebens“ ist in der Lage vieles abzupuffern – auch Klimaveränderungen. Mit guter Bodenpflege und angepassten Fruchtfolgen mit standortgerechten, samenfesten Biosaatgut, dessen riesiger Genpool viel größere Anpassungsleistungen hervorbringen kann als die verarmten Industriesorten, können die meisten Gartenlehme, wie sie typischerweise in München vorkommen, noch problemlos bewirtschaftet werden.
Unter dem Begriff „Schwammstadt“ wird auch von der Stadtplanung das wichtigste Grundprinzip von fruchtbaren und lebendigen Landoberflächen gerade wiederentdeckt: möglichst viel Regen- bzw. Oberflächenwasser soll vor Ort – möglichst im entsiegelten Boden aufgenommen und gespeichert werden.
Bodenpflege, angepasste Fruchtfolge und Sortenauswahl in der Mischkultur, naturnahes Gärtnern, Wassermanagement und Beschattung sind die besten Strategien, um üppige und ertragreiche Gärten zu erhalten.
Neuer Ratgeber des MünchnerUmweltinstituts: „Dein Klima Garten – Klima in der Krise – Gärten im Wandel“
Das Ökoinstitut schreibt dazu im aktuellen Newsletter: „Wer gärtnert, kann sich an die neuen Bedingungen anpassen – und dabei sogar noch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Mit unserem neuen Ratgeber „Dein Klimagarten“ geben wir Ihnen praktische Methoden an die Hand, wie Sie Ihren Garten widerstandsfähiger gestalten können und dabei gleichzeitig Ressourcen schonen und die Artenvielfalt fördern.
Unser Ratgeber gibt Antworten auf Fragen wie:
• Wie wird mein Garten fit für Trockenperioden?
• Welche Pflanzen trotzen Hitze und anderen Witterungsextremen besonders gut?
• Und wie kann ich den Boden so pflegen, dass es nicht nur dem Gemüse guttut, sondern auch dem Klima nützt?“ Weitere Infos und zum Ratgeber
Praktische Tipps für länger dauernde Perioden mit ausgeprägter Sommertrockenheit
- Gute Bodenpflege sorgt für gesunde und lebendige Böden mit ausgeprägter Krümelstruktur. Je tiefgründiger die Böden und je höher der organische Anteil und die Lebendverbauung in einem Gartenboden, desto besser ist auch die Wasserspeicherung im Porenraum.
- Der organische Anteil im Gartenboden kann mit verschiedenen Methoden, die man auch kombinieren sollte, erhöht werden: Mulch – Flächenmulch – Kompost – Gründüngung – ausgewogene Mischkulturen und angepasste Fruchtfolge mit dauernder Bodenbedeckung – Wurzeln stehen lassen – Beikräuter dulden, wo möglich.
- So wenig Bodenbearbeitung wie möglich – Umgraben nur bei schweren und problematischen Böden, sonst nur lockern und das stabilisierte Gefüge mit den Kriech- und Wurzelgängen wenig stören
- Mehr hacken – weniger gießen: Wenn die wasserführenden Bodenkapillaren durch das Hacken unterbrochen werden, verdunstet weniger Wasser aus dem Boden.
- Verdichtungen (Betreten) vermeiden, dort wird viel weniger Wasser gespeichert
- Kalkversorgung überprüfen
- Mit frühen Kulturen deren höchster Wasserbedarf im Mai und Juni liegt, kommt man der Trockenperiode zuvor. Dazu gehören Erbsen, Puffbohnen und alle anderen Frühgemüse.
- Früh gesäte Kulturen mit Pfahlwurzel (Pastinaken, Wurzelpetersilie, Rote Bete) wurzeln tief und versorgen sich lange Zeit selbst.
- Für den Staudengarten Arten mit geringem Wasserbedarf im Sommer wählen.
- Rasenflächen, die im Sommer grün bleiben sollen, brauchen viel Wasser. Deswegen Extensivrasen den Vorzug geben, die dann im Sommer braun werden dürfen – oder noch besser: biodiverse Blühwiesen anlegen.
- Standortangepasste Pflanzen aus ökologischem Anbau sind an Boden und vorherrschende Klimaverhältnisse vor Ort optimal angepasst und deshalb widerstandsfähig. Sie brauchen weniger Pflege und Wasser.
Tipps bei häufigen Starkregenereignissen
- Alle oben genannten Bodepflege-Maßnahmen wirken auch gegen Erosion. Der Boden sollte als unser wichtigster Wasserspeicher erhalten werden – und das kann er nur leisten, wenn seine Krümelstrukur mit der riesigen inneren Oberfläche erhalten bleibt.
- Zisternen, Regentonnen und wasserspeichernde Senken oder Miniteiche speichern überschüssiges Wasser für Trockenzeiten. Sie helfen auch bei der Entlastung unserer Abwassersysteme und unserer Gewässer. Sickerbeete können zudem große Hitze abmildern, denn sie produzieren Kühle durch Verdunstung.
- Eine (leichte!) Umformung des Bodenreliefs zur Lenkung des Niederschlagswassers, z.B. etwas vertiefte Baumscheiben oder Sammel-Rinnen auf Hügelbeeten hält das Wasser besser auf der Fläche. Der Starkregen schwemmt ungeschützte Flanken von Dämmen oder Wällen leicht weg, die oberste fruchtbare Bodenkrume wird mit dem Wasser auf die Wege gespült und geht verloren, wenn die Wege kein Wasser aufnehmen können. Versiegelte Wege zwischen hügeligen Beeten sollten deswegen tabu sein. Dazu zählt auch Rindenmulch oder dicke Schichten an Holzhäcksel. Rasen- oder Erdwege nehmen das abgespülte Wasser besser auf – nichts geht verloren.
Tipps für längere Vegetationsperioden
Der „verlängerte“ Sommer sorgt in Kombination mit der nach den ersten Herbstregen oft erhöhten Bodenfeuchte für einen erhöhten Humusabbau und somit auch zu einer stärkeren Stickstofffreisetzung im Herbst
- Beete sollten mit Gemüsekulturen oder Gründüngung bis weit in den Winter hinein genutzt werden. Sie verbrauchen den aus Humus und aus Wurzelresten freigesetzten Stickstoff.
- Auch hier gilt: es sollte möglichst wenig Bearbeitung erfolgen, um die Bodenstruktur zu erhalten und Nährstoffverluste zu minimieren
- Typische Herbstkulturen werden nicht mehr für die Ernte Anfang Oktober, sondern oft erst zur Ernte im November geplant.
- Im Hoch- und Spätsommer sollten nochmals Blatt-, Kohl- und Wurzelgemüse bis zum Jahresende geplant werden. Dazu gehören Herbstsalate wie Radicchio und Zuckerhut, Chinakohl, Rettiche
- Bei frühen Kälteeinbrüchen und Frostnächten können die Kulturen mit einem Vlies geschützt werden. Das gilt nicht für Tomaten, Kürbis, Zucchini, die sich meist mit Vlies nicht zuverlässig schützen lassen.
- Anstelle des Umgrabens gewinnt die Einsaat von Gründüngung (oder auch überwinternde Gemüse) an Bedeutung.
- Mit den durchschnittlich erhöhten Temperaturen bleibt auch der Boden ganzjährig wärmer – Bodenbearbeitung und damit Bodenbelüftung wirkt im wärmeren Boden stärker als früher in Richtung Humusabbau. Auch deswegen gewinnen die verschiedenen Techniken des Humusaufbaus, v.a. das Mulchen, zunehmend an Bedeutung
Die Schadwirkung von Spätfrösten auf die verfrüht blühende Vegetation bedenken
- Frühe Aussaaten mit Vlies abdecken
- Spät blühende Obstsorten und -Arten bevorzugen
- Wandspaliere können gespeicherte Wärme von Mauern nutzen bzw. als schmale Baumform mit Vliesen nachts gegen leichte Fröste während der Vollblüte und im Jungstadium der Früchte geschützt werden.
- Bei Spätfrösten kein Stroh um die Erdbeeren, da die Strohschicht die Wärmenachlieferung aus dem Boden bremst
Die Infoschrift „Der Garten im Klimawandel“ der Bayerischen Landesanstalt für
Weinbau und Gartenbau zum Ausdrucken.
Biologische Vielfalt als Antwort auf die Polykrise
Mit den Fragen der gärtnerischen Anpassungsmöglichkeiten an die dominanten Krisen unserer Zeit beschäftigt sich auch eine neue Gruppe an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg:
Planting Future: Multispicies Gardening in the Anthropocene – kurz: „Multispecies Gardening“
Geleitet wird das Projekt von Professorin Michaela Fenske. Die Lehrstuhlinhaberin für Europäische Ethnologie und Empirische Kulturwissenschaft arbeitet zusammen mit Claudia Schönmüller und den Expert*innen von der Bayerischen Gartenakademie an einem neuen, umfassenderen Verständnis der Bedeutung von Gärten als Orte der sozial-ökologischen Transformation.
„Welche Rolle spielen Gärten hinsichtlich der menschlichen Wahrnehmung des Artensterbens? Welche Erfahrungen machen Menschen in Gärten mit dem Klimawandel? Welche Möglichkeiten bieten Gärten zur Gestaltung der sozial-ökologischen Transformation unserer Gesellschaften?“ – sind einige der Fragen, die erforscht werden sollen. Mit dem Soziologen Michel Foucault lassen sich urbane Gärten auch als eine Art gelebter Utopien, deuten.
Bei uns Gärtner*innen sieht die Professorin grundsätzlich viel Verständnis für speziesübergreifendes Zusammenleben und den Einfluss des Menschen auf seine Umwelt: „Die ökologischen Herausforderungen im Garten verlangen nach neuen Praktiken, Pflanzen und Früchten ebenso wie nach neuen Einstellungen, Ethiken und Ästhetiken,“ so Fenske und Schönmüller.
„Multispecies Gardening “ wird nicht nur wissenschaftliche Studien bereitstellen, sondern auch Ausstellungungen, Bücher und Filme veröffentlichen. Offizieller Beginn ist der 1. April 2025.
„Ein Garten der Vielen“
Michaela Fenske im Gespräch über Gärten & sozial-ökologischen Wandel
Text: Ruth Mahla