Auf dem bisherigen Erfolg des Volksbegehrens sollten wir uns nicht ausruhen, denn es fehlen noch Stimmen für die gesetzliche Verankerung einiger wichtiger Maßnahmen zum Erhalten der Artenvielfalt. Der Ansturm auf die Rathäuser macht aber auch Mut, dass ca. 1 Million Stimmberechtigte für das Volksbegehren unterschreiben und damit die benötigten 10 Prozent der Stimmen erreicht werden.
Teilnehmen dürfen alle stimmberechtigten Bürger*innen mit Hauptwohnsitz in Bayern. Die Gemeinden bieten zusätzliche Stellen zum Eintragen und erweiterte Öffnungszeiten an. Das Aktionsbündnis führt in seinem Rathausfinder alle Eintragungslokale auf.
Ziel des Volksbegehrens ist, Regelungen im bayerischen Naturschutzgesetz zu verankern, die die Artenvielfalt retten. Die Kernforderungen sind:
die bayernweite Vernetzung von Lebensräumen für Tiere;
die Erhaltung von Hecken, Bäumen und kleinen Gewässern in der Landwirtschaft;
der Erhalt und die Schaffung blühender Randstreifen an allen Bächen und Gräben;
der massive Ausbau der ökologischen Landwirtschaft;
die Umwandlung von zehn Prozent aller Wiesen in Blühwiesen;
die pestizidfreie Bewirtschaftung aller staatlichen Flächen;
die Aufnahme des Naturschutzes in die Ausbildung von Land- und Forstwirt*innen.
Die Nachricht ist erschreckend: Über 75 % der Insekten sind
zwischen 1989 und 2017 ausgestorben. Das ist der Zeitraum, in dem
Amateur-Insektenforscher*innen von der Entomologischen Gesellschaft Krefeld
eine umfassende systematische Feldforschung an vielen Standorten in Deutschland
durchgeführt haben. Noch erschreckender ist die Vorstellung, dass dieser
Artenschwund nicht auf diesem Niveau verharren, sondern mit hoher
Geschwindigkeit weiter voranschreiten wird. Dass diese Nachricht im Jahr 2017
nicht mehr Unbehagen auslöste, liegt vermutlich an der abstrakten, wenn auch
hohen Zahl. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass es schwerfällt,
empathisch zu sein mit Tieren, die uns so wenig ähnlich sind, die oft genug als
störend empfunden und nicht selten nur als Leichen an Windschutzscheiben,
Fliegenfängern und im Kuchenbüffet wahrgenommen werden.
Visuelle Darstellung der planetaren Grenzen nach Will Steffen u. a., 2015
Rechtzeitig zum bayerischen Volksbegehren „Artenvielfalt“ ist ein wichtiges Buch erschienen, dessen Lektüre zu Unbehagen führt, weil es uns die Konsequenzen dieses Artensterbens konkret und eindringlich darstellt. Die Monografie mit dem Titel „Das große Insektensterben. Was es bedeutet und was wir jetzt tun müssen“ gibt umfassende Informationen zur Zentralität der Artenvielfalt für unser Ökosystem und die vielfältigen Hintergründe des Artenschwundes. Verfasst wurde es von zwei Autor*innen, die einander in ihrer Expertise wunderbar ergänzen. Der promovierte Biologe, Schmetterlingskundler der Zoologischen Staatssammlung München und Präsident der Münchner Entomologischen Gesellschaft, Andreas H. Segerer, gewährt einen Einblick sowohl in die Insektenkunde, als auch in die „Ökosystemdienstleistungen“ der Insekten, den Status quo der Landwirtschaftspraxis und -politik und den Natur- und Umweltschutz. Eva Rosenkranz, Literaturwissenschaftlerin und engagierte Naturschützerin mit eigenem Garten, ergänzt seine Ausführungen mit praxisnahen Hinweisen zum Insektenschutz im Garten und im Alltag.
Ursachen und Folgen des Insektensterben
Eingeleitet werden die Kapitel von Segerer durch
biografische Notizen, vor allem Erinnerungen an seine Kindheit in einer vielfältigeren
Natur. Viele Pflanzen und Tiere, die er als Kind und Jugendlicher noch erlebt,
beobachtet und gesammelt hat, sind bereits verschwunden. Was wir heute als
blühende Wiese wahrnehmen, ist nur ein matter Abglanz der ehemaligen
ökologischen Vielfalt. Mit diesen Vergleichen demonstriert er auch die
„Shifting Baselines“, das Verschieben der Orientierungspunkte. Monotone
Grünflächen sind uns zur Normalität geworden, weshalb der Artenverlust weniger
drastisch wahrgenommen wird als er tatsächlich ist. Gegen die Normalisierung
von ausgeräumten und zugebauten Landschaften argumentiert Segerer folglich
erkenntnisreich an. Auch wenn uns Wespen und Mücken nicht abgehen, sind sie dennoch
unverzichtbar für das Ökosystem. Denn Insekten nehmen eine Schlüsselrolle in
ihm ein: Unter anderem bestäuben sie Pflanzen, dienen anderen Tieren
(einschließlich Menschen) als Nahrungsquelle, zersetzen Tierkadaver und
abgestorbene Pflanzen, produzieren Naturstoffe wie Honig und dezimieren
Beikräuter. Ihr Fehlen im Ökosystem hat weitreichende Effekte wie den Verlust
vieler (Nutz-)Pflanzen, das Aussterben von insektenfressenden Tieren und die
Ausbreitung von Bakterien und Schimmelpilzen. Obwohl das auf den ersten Blick
überschaubar erscheint, steht nicht weniger als das Funktionieren des
Ökosystems auf dem Spiel. Andreas Segerer ist bei der Beschreibung der
potenziellen Folgen des Artenrückgangs weit entfernt von Spekulation,
Schwarzweißmalerei oder Panikmache. Stattdessen verweist er auf
unterschiedliche wissenschaftliche Szenarien und die Komplexität von
Biosystemen, die ein Vorhersagen der tatsächlichen Folgen des Artensterbens
erschwert. Dass das „sechste große Massensterben“ in der Erdgeschichte aber
nicht folgenlos bleibt, betont er dennoch mit Nachdruck. Denn der Verlust der
genetischen Vielfalt gehört neben der Überdüngung zu den planetaren
Belastungsgrenzen, die bisher am weitesten überschritten sind.
Die Landwirtschaft hat’s gegeben, die Landwirtschaft hat’s
genommen
Auf der Suche nach den Tätern geht der Insektenforscher ebenso differenziert vor: Flurbereinigung, Flächenfraß, Monokulturen (mit Energiepflanzen), Pestizid- und Herbizideinsatz sowie Überdüngung haben durchschlagenden „Erfolg“. Die Vielfalt sowohl von Wild- als auch Nutzpflanzen und –tieren, die durch den Landbau erst entstehen konnte, wird nun durch die intensive, exportorientierte Landwirtschaft dezimiert. Das Ausrotten geschieht legal und wird zudem von der Agrarpolitik mit Subventionen belohnt. Doch auch beim staatlichen Naturschutz sieht der Insektenforscher Nachholbedarf. Anstatt mit Artenschutzprogrammen einzelne Arten zu schützen, sollte der Fokus auf dem Ökosystemschutz liegen. Zudem fordert der Wissenschaftler mehr Förderung der Wissensproduktion und -vermittlung, denn im Umweltwissen sieht er die Voraussetzung für Umweltschutz.
„Be the change you want to see“
Eva Rosenkranz nimmt diesen dicht gesponnenen Faden auf und
zeigt, wie Insektenschutz im Alltag funktioniert. Neben politischem Engagement
und kritischem Konsum sieht sie im Garten das Potenzial, um Lebensräume für
Insekten zu bewahren und zu schaffen. Auch wenn es sich nur um kleine
Bausteinchen handelt, die unsere Privat- und Gemeinschaftsgärten im Vergleich
zu den agrarisch genutzten und mit Infrastruktur überbauten Flächen ausmachen, können
sie einen kleinen Beitrag leisten. Daneben hilft ein Umdenken. Denn Begriffe
wie „Umwelt“ und „Grünfläche“ verleiten zu allzu großer Abstraktion und
Distanz. Stattdessen sollten wir uns als Teil der Natur begreifen und
„Grünflächen“ als Wiesen voller Leben. Rosenkranz gibt wertvoll Tipps zur
insektenfreundlichen Bepflanzung von Gärten und zu deren naturnahen Gestaltung.
Diese kleinen Maßnahmen betrachtet sie als Teil eines nachhaltigen Lebensstils,
zu dem auch politisches Handeln gehört. Der Wandel beginnt bei den Einzelnen,
hört bei ihnen aber nicht auf. Mit dem Motto „Be the change you want to see“
ermutigt sie dazu, die vom Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber geforderte „Weltbürgerbewegung“
zu formieren. Sowohl Eva Rosenkranz als auch Andreas Segerer halten eine
Agrarwende für unumgänglich, um die von der industriellen Landwirtschaft
verursachten Schäden zu minimieren.
„Das große Insektensterben“ überzeugt durch anschauliche Beispiele und eine gelungene Auswahl gut aufbereiteter Informationen. Das Buch ist reichhaltig illustriert und durch zahlreiche Schaubilder und farblich hervorgehobene Exkurse bereichert, in denen Details aufbereitet und verschiedene Einblicke gewährt werden. Hinter dem schlichten Paperback-Format verbirgt sich ein aufwendig gestaltetes Buch, das aufklärt, aufrüttelt, aber auch Mut macht.
Bayerns bedrohte Tiere tragen sich für das Volksbegehren im Rathaus ein – Alle Bürger*innen sind zum bunten Umzug eingeladen
Am: Freitag, 8. Februar 2019 Ab 14:00 Uhr: Aufstellung auf dem Max-Joseph-Platz vor der Oper
Tram 19: Haltestelle Nationaltheater; U3/U6: Haltestelle Odeonsplatz oder Marienplatz
14:30 Uhr: Umzug startet 15:15 Uhr: Ankunft am Marienplatz, Tiere tragen sich im Rathaus ein
Rund die Hälfte der einheimischen Tiere und rund zwei Drittel der einheimischen Pflanzen sind laut Roten Listen in Bayern gefährdet. Das möchte das „Volksbegehrens Artenvielfalt – Rettet die Bienen!“ ändern. Die Organisator*innen wollen den bedrohten Tieren und Pflanzen Bayerns nun eine Stimme und ein Gesicht geben. Sie werden sich selbst für das Volksbegehren Artenvielfalt eintragen.
Alle Bürger*innen Bayerns sind deshalb eingeladen als Tier oder Pflanze verkleidet an einem fröhlichen Umzug der Artenvielfalt teilzunehmen. Bunte, kreative Kostüme sind erwünscht, es reicht jedoch auch ein Stofftier oder eine Blume im Haar. Die Organisator*innen freuen sich auf Teilnehmer*innen jeden Alters.
Das Naturkundemuseum Biotopia veranstaltet heuer ein dreitägiges Festival zum Thema „Essen“, für den Beiträge gesucht werden. Bis zum 1. Februar 2019 können noch Beiträge eingereicht werden:
„Wie formt unser Essverhalten den Planeten? Wie wird das Essen der Zukunft aussehen? Wie können wir die Welt ernähren ohne dabei fragile Ökosysteme zu zerstören?
Auf ebenso köstliche wie nachdenkliche Art und Weise erforscht das Festival Essen in all seinen unzähligen Dimensionen: Es bringt führende Wissenschaftler, Künstler, Designer, Köche, Experten und Innovatoren am atemberaubenden Standort Schloss Nymphenburg mit der Öffentlichkeit zusammen und erkundet das Essen der Zukunft mit einer Reihe an vielseitigen und mitreißenden Veranstaltungen für alle Altersgruppen.
Indem es das Thema aus einer Vielzahl an Perspektiven betrachtet, will
BIOTOPIA einen inspirierenden, interdisziplinären und auf positive Weise
herausfordernden Dialog anstoßen; ein Dialog, der Neugier fördert,
Besucher in seinen Bann zieht, neue Perspektiven einbringt, Empathie
ermöglicht und einen offenen Austausch über die Zukunft unserer
Ernährung, Landwirtschaft, Essen und Geschmack anfacht.
EAT ist der Beginn einer Reihe von jährlich stattfindenden, dreitägigen Festivals, die der Eröffnung des künftigen Museums BIOTOPIA vorausgehen. Jedes Festival wird Verhaltensweisen, Aktivitäten und Prozesse wie Fühlen, Schlafen oder Kommunizieren in den Mittelpunkt stellen.“
Am 19. Januar 2019 wird es wieder laut in der
Bundeshauptstadt. Parallel zur Agrarministerkonferenz zieht ein vielfältiges
Aktionsbündnis aus Bäuerinnen und Bauern, Imker*innen, urbanen Gärtner*innen,
Natur- und Umweltschützer*innen, Tierschützer*innen, Akteur*innen der
Entwicklungszusammenarbeit, kritischen Verbraucher*innen und engagierten
Bürger*innen durch das Regierungsviertel in Berlin, um gegen die derzeitige
Ausrichtung der EU-Agrarpolitik zu protestieren. Denn 60 Milliarden Euro an
Steuergeldern werden nicht im Sinne des Gemeinwohls vergeben. Statt Tier- und
Naturschutz, die Ökologisierung der Landwirtschaft, Klimagerechtigkeit und den
Erhalt der Artenvielfalt, gutes und gesundes Essen, faire Löhne und die
gerechte Verteilung von Ressourcen auch für die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern
des globalen Südens zu subventionieren, wird mit öffentlichen Mitteln vor allem
der private Besitz von Land und damit Verteilungsungerechtigkeit gefördert.
Weil diese Politik bisher zu Monokulturen, zum massenhaften
Einsatz von Pestiziden, zur Überdüngung, zu Tierfabriken, Flächenfraß,
Artensterben, unwürdigen Arbeitsbedingungen und zur Unterprivilegierung der
bäuerlichen Landwirtschaft sowie der Kleinbäuerinnen und -bauern im globalen
Süden geführt hat, fordert das Aktionsbündnis: „Bei den Verhandlungen in
Brüssel muss sich die Bundesregierung an die Seite der Bäuerinnen und Bauern
stellen, die Tiere artgerecht halten, insektenfreundliche Landschaften schaffen
und gutes Essen herstellen.“
Dass Essen politisch ist, konstatiert das Bündnis „Wir haben
es satt“ von „Meine Landwirtschaft“ bereits seit 2011. Seither ziehen
alljährlich im Januar zehntausende Bürger*innen aus ganz Deutschland durch das
Regierungsviertel, um eine Agrar- und Ernährungswende zu fordern. Vor den
anstehenden EU-Wahlen steht heuer die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) im Fokus
der Demo. Das Aktionsbündnis macht deshalb darauf aufmerksam, dass sich die
EU-Agrarpolitik grundlegend ändern muss, um die Weichen für mehr Umwelt- und
Klimaschutz sowie Verteilungsgerechtigkeit zu stellen. Im Januar wird
demonstriert, im Mai wird gewählt.
„Wir haben es satt!“-Großdemonstration: „Der Agrarindustrie den Geldhahn abdrehen!“
Zeit: Samstag, 19. Januar 2019, ab 12.00 Uhr
Ort: Brandenburger Tor, Platz des 18. März, 10117 Berlin
Ablauf: 12 Uhr: Auftaktkundgebung
Ab ca. 12.30 Uhr: Start der Demonstration zum internationalen Agrarministergipfel im Auswärtigen Amt
Ab ca. 14.30 Uhr: Abschluss mit Reden, Musik und Essen am Brandenburger Tor
Dafür lohnt es sich, auf die Straße zu gehen:
Weltweites Höfesterben stoppen +++ Für gesundes Essen für
alle +++ Für Klimaschutz und Artenvielfalt +++ Für artgerechte Tierhaltung und
weniger Fleischkonsum +++ Für Ernährungssouveränität und gerechten Welthandel
+++ Für eine Digitalisierung ohne Konzerne und Datenklau +++ Für eine Landwirtschaft
ohne Ackergifte +++ Für Entwicklungszusammenarbeit mit ökologischen Grundsätzen
+++ Für eine sozialgerechte bäuerliche und ökologische EU-Agrarreform (GAP) +++
Nein zur neuen Gentechnik wie Crispr und Gene Drives +++ Für ein solidarisches
Europa – Geflüchtete willkommen +++