Samen für die Zukunft - Exkursion zum Obergrashof

Samen für die Zukunft – Teil 2

Exkursion zum Obergrashof – Einblick in die Kulturpflanzenentwicklung

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Hannelore Schnell und Konrad Bucher vom Bereich Stadtnatur des Ackermannbogen e.V. haben im Rahmen des Verbundprojekts „BioDivHubs – Biodiversität ins Quartier“ einen zweiten Teil des Grundlagenvortrags „Samen für die Zukunft“ organisiert: Direkt am Ort des Geschehens am Obergrashof bei Dachau.

Der „biologisch-dynamische Hoforganismus“ im Dachauer Moos nördlich von München ist leicht mit dem ÖPNV zu erreichen. Auf 165 ha wachsen hier viele Gemüsearten für den Menschen, Gründüngung, sowie Futterpflanzen für die Mutterkuhherde.

Die Saatgutarbeit geschieht unter dem Dach des gemeinnützigen Vereins Kulturpflanzenentwicklung Obergrashof e.V..

Ein Hofladen bietet Gemüse, Fleisch und andere Bioprodukte an, inklusive netter Fachberatung. Wie in den Vollkorner-Läden in München, die der Obergrashof beliefert, sind hier alle samenfesten Gewächse eigens gekennzeichnet.

Unter der Linde

Die Exkursion begann mit einer Einführung in das Thema samenfeste Biosorten am Platz unter der Linde, ein wunderbar schattig-kühler Ort an diesem heißen Tag. Hannelore Schnell spitzte im Schnelldurchlauf die Problematik, die sie in ihrem Vortrag im Januar 2024 (Präsentation Teil 1 und Teil 2) detailliert herausgearbeitet hatte, zu: Jahrtausende lang wurde Saatgut von Landwirten angebaut und wieder ausgesät, frei ausgetauscht und geteilt. Eine besondere Eigenschaft des Saatguts, nämlich die Fähigkeit, sich selbst zu reproduzieren, verhinderte lange Zeit die Kommerzialisierung. Die bäuerliche Kulturpflanzen-Entwicklung hat so durch gezielte Selektion ca. 7000 Ernährungspflanzen hervorgebracht, die das Potenzial der Anpassung an die unterschiedlichsten Standortbedingungen genetisch in sich tragen und auch die menschlichen Bedürfnisse und Vorlieben widerspiegeln.

Diese immense genetische Vielfalt ist das wertvollste Kulturgut der Menschheit.

Und – die einzige Lebensversicherung gegen die Herausforderungen im Zuge des Klimawandels. Die genetischen Merkmale für eine bessere Anpassung an Hitze und Trockenheit liegen in den alten Sorten, die auch in einer wechselvollen Klimageschichte überlebt haben.

Seit etwa 100 Jahren hat sich die an den Profitzwang des kapitalistischen Wirtschaftssystems angepasste, globale Agrarindustrie herausgebildet, die nur noch 30 Ernährungspflanzen, davon 60% Mais, Weizen und Reis, kultiviert, erforscht und auch gentechnisch weiterentwickelt. Dadurch wird die Biodiversität auf den globalen Äckern und auf unseren Tellern extrem einschränkt. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) verschwanden im vergangenen Jahrhundert 75 Prozent der weltweiten Nutzpflanzen.

Für die Landwirte gibt es in diesem System immer weniger Möglichkeiten, Saatgut auszutauschen und zu verteilen. Das Hochleistungs-Hybrid-Saatgut, das Landwirte überall auf dem Globus kaufen und anbauen können, ist auf Einheitlichkeit, hohe Leistungsfähigkeit, Robustheit und hohen Ertrag gezüchtet. Die wirtschaftliche Logik verlangt einheitlich große und gut aussehende „gerade“ Gewächse, die alle zum gleichen Zeitpunkt reif werden, hohen und stabilen Ertrag bringen und mit einem möglichst breiten Spektrum an Standorten zurechtkommen; bei mit den älteren gentechnischen Methoden veränderten Saatgut ist auch noch die Verträglichkeit gegenüber dem mitverkauften Pestizid eingebaut.

Durch diese Wirtschaftsweise verlieren wir nicht nur viele Pflanzenarten, auch die genetische Diversität innerhalb einer Sorte und auch innerhalb der einzelnen Pflanze nehmen rapide ab. Durch den industriellen Anbau von Hybridsaatgut wird auch das Bodenleben dezimiert – der Humus schwindet, das Mikrobiom des Bodens und auch das des Menschens verarmt. Ein einfältiger Speiseplan mit genetisch weniger ausdifferenzierten Pflanzen macht Menschen anfälliger für Krankheiten.

Einförmigkeit auf den Feldern ist eine globale Gefahr

„Wer die Saat hat, hat das Sagen“ (Anja Banzhaf): Kontrolle über das Saatgut bedeutet die Kontrolle über die Nahrungsmittelversorgung. Die Frage, wer neue Pflanzensorten produziert, ist eine der wichtigsten, globalen Zukunftfragen überhaupt. Heute kontrollieren gerade einmal vier Konzerne – Bayer, Corteva, ChemChina und Limagrain – mehr als 50 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes. Profitgetriebene Monopole dominieren also die globale Nahrungsmittelversorgung und unsere Gesundheits-Chancen.  

Ähnlich sieht es beim Gemüsesaatgut in der EU aus: Hier haben die fünf größten Unternehmen 63,2 % Marktanteil. Auch ökologisches Hybridsaatgut stammt zum größten Teil von diesen Big Playern (BASF SE, Bayer, Limagrain, Rijk Zwaan Zaadteelt und Syngenta), was aber meist durch intransparente Firmenkonstrukte- und Namen beim Blick auf das Samentütchen nicht ersichtlich wird. (Quelle: Mordor Intellicence)

Mit den neuen Gentechnik-Methoden (NGT) droht eine weitere Gefahr: Wenn die EU-Kommission die Deregulierung des Gentechnikrechts wie geplant umsetzt, müssen die mit neuen gentechnischen Verfahren hergestellten Pflanzen nicht mehr extra zugelassen und gekennzeichnet werden. Sie könnten so unkontrollierbar zu den Verbraucher*innen und auch in den Ökolandbau gelangen.

Zum Stand der Debatte über die neue Saatgutverordnung in der EU gibt es einen guten Beitrag von Arche Noah.

On-farm Züchtung

Julian Jacobs ist Mitgründer der Gärtnerei Obergrashof und befasst sich seit über 30 Jahren mit Saatgutvermehrung und Züchtung. Aus seiner Arbeit gingen bereits mehrere Sorten verschiedener Kulturarten hervor (u.a. Blumenkohl, Chiorée, Kohlrabi). Urban Ewald stieß nach Lehre und Studium im Jahr 2018 dazu.

Julian erklärt uns: „Im Jahr 2021 haben wir Saatgutarbeit in einen gemeinnützigen Verein ausgegliedert. Nicht zuletzt deshalb, weil der gemeinschaftliche und gemeinnützige Mantel unserem Verständnis von Pflanzenzüchtung am besten entspricht – denn Sorten sind Kulturgut! Die Ergebnisse unserer Arbeit – bekömmliche, nachbaufähige, vielfältige Sorten mit hoher Lebensmittelqualität – verstehen wir nicht als unser Privateigentum, sondern als Beitrag zu einem gemeinsamen Zukunfts-Erbe. Auf Sortenschutz und Patente verzichten wir – die von uns entwickelten Sorten stehen Hobby- und Erwerbsgärtner*innen zum An- und Nachbau frei zur Verfügung.“

Der Verein Kulturpflanzenentwicklung Obergrashof ist auch Züchtungsstandort des Kultursaat e.V., der die Aktivitäten von 25 biologisch-dynamischen Gemüsezüchter*innen in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden koordiniert. So werden auch Ringversuche an vielen Standorten möglich, welche wissenschaftlich begleitet werden. Auch mit bildschaffenden Methoden wird die biodynamische Pflanzenzüchtung untersucht: Seit 2001arbeitet die Agrarwissenschaftlerin Gaby Mergardt intensiv mit der Kupferchloridkristallisation am Fachgebiet Ökologische Lebensmittelqualität der Universität Kassel. Die Kristallisationsbilder weisen auf eine stärkere Symetrie und Lebendigkeit von samenfesten Biosorten gegenüber F1-Hybriden hin. Die Bilder werden bei der Entscheidung für neue Zuchtlinien mit einbezogen.

Die beiden Experten Julian Jakobs (rechts) und Urban Ewald von der Kulturpflanzenentwicklung Obergrashof e.V. erklären uns die Grundlagen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft und der „On-farm Züchtung“

Mit der Gärtnerei Obergrashof wird eng zusammengearbeitet. Durch diese Verknüpfung besteht ein stetiger Austausch mit den Anforderungen des praktischen Anbaus. So wird die Saatgutarbeit in den Hoforganismus eingebettet: Die Tierhaltung, die Fruchtfolge, die Klima- und Bodeneigenschaften, die Präparatearbeit, nicht zuletzt das Miteinander der Hofgemeinschaft – der Hof als lebendiges System kann sich in die Entwicklung der Kulturpflanzen einprägen. Die Sorten gehören zum Hof und entwickeln sich in Wechselwirkung mit ihm. Je lebendiger und vielgestaltiger der Hof, desto lebendiger und vielgestaltiger das Gemüse.

Neben Ertrag und Widerstandsfähigkeit kommt es den Züchtern vor allem auf eine hohe Ernährungsqualität an. Guter Geschmack und innere Lebendigkeit der Sorten sind für die Ernährung des Menschen auf körperlicher, seelischer und geistiger Ebene ausschlaggebend.

Allerdings ist es auch diesem engagiert und mit Herzblut arbeitenden Demeter-Gemüsehof nicht möglich, allein mit samenfesten Gemüsesorten wirtschaftlich zu überleben. Deswegen werden auch hier einige Hybride angebaut. Julian und Urban bedauern das: „Ökologisch erzeugte F1-Hybride sind zwar keine per se ungesunden oder „schlechten“ Pflanzen, aber sie tragen nicht die genetische Diversität, Lebendigkeit und Anpassungsfähigkeit in sich, wie die samenfesten Biosorten, die eine lange Entwicklungsgeschichte im Erbgut tragen.“

Im Glashaus

Im Gewächshaus ist es noch heißer als draußen, aber den beiden Züchtern macht das nichts aus. Sie erklären liebevoll die Zuchtlinien und ihre Eigenheiten. Man merkt auch als Laie, dass da enormes Wissen, Erfahrung, Geduld und Feinsinnigkeit dahinter stehen muss, um sich ein Leben lang erfolgreich der Kunst der Pflanzenzüchtung zu widmen. Ein Balance-Akt bleibt es, trotz aller Hingabe, weil die wirtschaftlichen Bedingungen immer schlechter werden.

Auf der Website der Kulturpflanzenentwicklung Obergrashof wird jeder Pflanze ein eigenes Kapitel gewidmet:

Der frohwüchsige Edward…

Zum Beispiel heißt es beim Rettich Edward, eine Züchtung von Julian: „Zuchtziele waren Frohwüchsigkeit, Einheitlichkeit, Glattschaligkeit, geringe Grünköpfigkeit, fehlende Neigung zum Pelzigwerden, Schossfestigkeit und eine mittlere Länge bei einer Tendenz zur zylindrischen Form. Am schwierigsten war das Zuchtziel Einheitlichkeit zu erreichen…“

und ein Kohlrabi mit bewegter Vergangenheit…

Rasko, ein weißer, zarter und leicht süßer Kohlrabi hat eine lange biodynamische Geschichte. Er wurde vor über 35 Jahren von einem Pionier der biodynamischen Züchtung in der Schweiz entwickelt, und geriet dann in Vergessenheit, bis Julian Jakobs Restbestände des Saatguts entdeckte und die Erhaltungszüchtung begann. Faszinierend ist die lange biodynamische Vergangenheit dieser Sorte, das in den Genen gespeicherte „Gedächtnis“, das ihre besondere Vitalität und Qualität ausmacht.

Im Glashaus: Karottenblüten bis unters Dach, meterweise blühende Zwiebeln, ein Rettich namens „Edward“ und vor unerwünschte Bestäubung mit Netzen geschützter blühender Blumenkohl

Was können wir tun, um dies zu bewahren?

Julian erklärt: „Die Verbraucher sind an das einheitliche Bild der Hybridgewächse gewöhnt und denken oft, alles andere sei schlechte Ware. Hier besteht ein riesiger Aufklärungsbedarf: Wir müssen alle mithelfen, damit regionale, selbstbestimmte Züchtung weiterhin stattfinden kann. Wir haben es alle in der Hand, uns nicht vollständig von multinationalen Konzernen abhängig zu machen. Wenn wir wollen, dass ökologisch wirtschaftende, bäuerliche Betriebe mit ihrer Lebensmittelerzeugung und Züchtung weiterhin zur Weiterentwicklung und zum Erhalt unseres frei verfügbaren Kultursaatguts und damit auch zur Ernährungssouveränität beitragen, müssen wir sie unterstützen!“

Wir diskutieren darüber und tragen folgende Punkte zusammen:

Indem wir:

  • samenfeste Gemüse und Saatgut nachfragen
  • beim Einkauf kleine und krumme Exemplare akzeptieren. Sie werden leider meistens aussortiert – wir können froh sein, wenn wir solche Gemüse überhaupt noch vorfinden. Meistens sind sie hervorragend und intensiv im Geschmack, weil weniger Wasser eingelagert ist.
  • in Hofläden, Biokooperativen und auf Märkten einkaufen
  • möglichst ökologisch, regional, saisonal einkaufen
  • auch bei Bioware unterscheiden zwischen im Plastikmeer von Almeria unter schlimmen sozialen Bedingungen produzierten EU-Bio und regionalen Verbandsbio, wie z.B. Naturland, Ökoland und Demeter.
  • gute Beziehungen zu den regionalen Biolandwirt*innen und Solawis pflegen – Abnehmergemeinschaften bilden, Marktstände in den Quartieren initiieren.
  • als urbane Gärtner*innen einen Teil unseres Bedarfs in biodiverser Mischkultur selbst anbauen und darauf achten, nur samenfestes Biosaatgut bei den kleinen, mit Herzblut arbeitenden, ökologischen Pflanzenzüchtern zu kaufen und auch selbst weiter zu vermehren.

Text und Fotos: Ruth Mahla

Bauelemente für biodiverse Lebensräume

Über die Führung in der Naturgarten-Kleingartenanlage NW 18

Trotz der Hitze an diesem letzten Samstag im Juni hat es viele Teilnehmer*innen in die mehrfach preisgekrönte Naturgarten-Kleingartenanlage in München-Moosach NW 18 gezogen.

Unser Referent Tobias Bode ist gelernter Landschaftsgärtner und Dipl.-Ing. (FH) Freiraumplanung und arbeitet u.a. als Autor und Regisseur bei »Querbeet«, der Gartensendung des Bayerischen Rundfunks. Gerade ist im Pala-Verlag sein Buch: „Unser naturnaher Kleingarten – Artenvielfalt und Ernteglück im Schrebergarten“ erschienen. Er ist auch 2. Vorstand von NW 18 und hat seit 2018 die Anlage und seine eigene Parzelle zusammen mit seiner Frau Sabine zum Insekten-Paradies umgestaltet.

Von den insgesamt 122 Parzellen sind 115 als Naturgarten zertifiziert. NW 18 ist auch die erste Kleingartenanlage in Bayern, die als gesamte Anlage die Auszeichnung „Gold“ im Rahmen der Zertifizierung „Bayern blüht – Naturgarten“ bekommen hat. Artenvielfalt, Ressourcenschutz und die Entwicklung des städtischen Grüns sind die Hauptkriterien bei dieser Zertifizierung.

Warum Zertifizierungen?

Tobias Bode ist davon überzeugt, dass eine Zertifizierung und die damit einhergehende öffentliche Ehrung einen großen Ansporn für die Menschen darstellt. Gärtner*innen, die dem Thema noch fremd gegenüberstehen, können leichter gewonnen werden, wenn der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin beim Gartenfest vorbeikommt und eine Plakette überreicht. Die Anforderungen von „Bayern blüht“ sind nicht die strengsten. Anders als bei der Prämierung von Naturgarten e.V. dürfen z.B. invasive Neophyten, wie der beliebte Schmetterlingsflieder bleiben.

Ein anderer Grund schwingt auch immer mit: Einige urbane Gärten sind wegen des Baudrucks in ihrer Existenz bedroht, ihr Status ist nicht gesichert. Es ist sicher eine gute Argumentationshilfe gegen eine Auflösung oder Verlegung eines Gartens, wenn eine seltene Art nachgewiesen und der Garten öffentlich ausgezeichnet wurde.

Wenn Sie eine Zertifizierung eines urbanen Klein- oder Gemeinschaftsgartens als Naturgarten im Rahmen der Zertifizierung „Bayern blüht – Naturgarten“ erwägen, lesen Sie bitte hier weiter und informieren Sie sich über den „bayerischen Weg zur Gartenzertifizierung“.

Der naturnahe Lehrpfad als Gemeinschaftsprojekt

Auf der Gemeinschaftsfläche von NW 18 ist ein Lehrpfad mit gebauten Lebensräumen und begleitenden Infotafeln entstanden, alle Stationen sollen als Anregung dienen, sie in kleineren Maßstab in der eigenen Parzelle umzusetzen. Um von Anfang an möglichst viele zu begeistern, wurde die Anlage des Lehrpfads zusammen mit den Gärtner*innen geplant und gebaut. Ziel des Gemeinschaftsprojekt war es auch, dass jede*r für die eigene Parzelle das Passende finden kann. Viele Tiere, die mit den Kleinbiotopen angelockt werden, helfen auch beim Anbau von Obst und Gemüse: Laufkäfer, die im Totholzhaufen einen Lebensraum finden, fressen Nacktschnecken. Solitäre Wespen, Schwebfliegenlarven und Marienkäfer dezimieren Blattläuse und Wildbienen bestäuben die Obstbäume.

Einige Stationen des Lehrpfades

Ein wichtiges Kriterium bei der Anlage dieser naturnahen Lebensinseln ist es, dass ressourcenschonend mit schon vorhandenen Materialien gebaut wird, wie zum Beispiel das wunderschöne Hochbeet aus alten Betonplatten als vollsonniger Trockenstandort.

Tobias erklärt uns den Lebensraum Totholz

Umsetzung der Lehrpfad-Stationen in den Parzellen

In der Parzelle von Sabine und Tobias gibt es besonders viele biodiverse Lebensräume zu entdecken: Totholzstrukturen, Trockenmauern und ein Sandarium stechen ins Auge – vergesellschaftet mit Gemüse und Blumen. Mehr Mischkultur geht nicht.

Sandarium
Trockenmauern
Totholz, Muskatellersalbei, Kürbis….

Tatsächlich: Während ich den Muskatellersalbei bewundere, fliegt eine riesige Blauschwarze Holzbiene vorbei – leider zu schnell für mich – ich hab sie nicht richtig erwischt, deswegen ist dies eine Aufnahme von Tobias Bode.

Sabine stellt uns die tierischen Gäste in der 250 m2 großen Parzelle vor, darunter die wunderschöne Schwalbenschwanzraupe und eine Blattschneiderbiene mit Blattstück im Gepäck im Anflug auf ihren Nistplatz.

Aber auch viele andere Parzellen sind vorbildhaft als Lebensraum für Mensch und Tier gestaltet: Wunderschön und absichtsvoll wild – ein Besuch lohnt sich wirklich!

Handreichung naturnahe Kleingärten

Die Frage, ab wann ein naturnaher Kleingarten zu verwildert ist, beschäftigte viele Teilnehmer*innen. Daher haben wir auch 2 vernachlässigte Parzellen besucht, die sichtlich nicht mehr gepflegt wurden. Tobias hat uns eine sehr praktische Handreichung zu diesem Thema vom BEZIRKSVERBAND BERLIN-SÜDEN DER KLEINGÄRTNER e.V. zukommen lassen. Natürlich haben die Vorstände von Kleingärten die Pflicht, bei Verwahrlosung von Parzellen nachzuforschen und – falls bei den Pächter*innen kein Interesse mehr besteht – den wertvollen und meist heiß begehrten Platz zu vergeben. In fast allen Kleingärten gibt es ja lange Wartelisten.

Wildnis und Kultur

Die Essenz des Gartenrundgangs mit Tobias ist für mich: Ein Garten – auch ein Naturgarten – ist eben doch immer ein von Menschen angelegtes und betreutes Areal – eine absichtsvolle Wildnis – ein Ort der friedlichen und behüteten Koexistenz von Menschen, Tieren und Pflanzen. Vielleicht könnte man es auch so definieren:

Ein naturnaher urbaner Garten ist ein Versöhnungsangebot des Menschen an die Natur – der Versuch einer Einhegung oder Eingemeindung der verdrängten Wildnis in die menschliche Sphäre.


Text und Fotos: Ruth Mahla

Verschiedene Wildbienen

Kleingärten für mehr Artenvielfalt in der Stadt

Kleingärtnern für Biologische Vielfalt

Kleingärten blicken auf eine lange Tradition als Möglichkeit der Selbstversorgung, als grüne Lunge inmitten dichter Bebauung, als Oasen guter Lebensqualität, Erholungsmöglichkeit und sinnstiftender Freizeitbeschäftigung im nahen Umfeld, sowie als wichtige soziale Begegnungsräume im anonymen Häusermeer zurück.

Sie wandeln sich aber auch stetig. Für alle Stadtbewohner werden die Gartenanlagen im Stadtgebiet immer wichtiger: Die dicht bepflanzten Gärten erzeugen Sauerstoff, binden Staub, befeuchten und kühlen die Luft, und speichern das Regenwasser. Auch steckt in ihnen das Potential, ein grünes Netz an Trittsteinbiotopen für bedrohte Arten im dicht bebauten Großstadtdschungel zu knüpfen.

Wie läßt sich der Schutz der Biodiversität mit den Besonderheiten des Kleingartenwesens verbinden? Themen wie naturnahes Gärtnern, Klima- und Artenschutz werden in vielen Vereinen bereits angegangen und vom Bundesverband der Kleingartenvereine Deutschlands und dem Deutschen Schreberjugend Bundesverband (DSJ) unterstützt, die 2023 gemeinsam das Verbundprojekt Kleingärten für Biologische Vielfalt ins Leben gerufen haben. Das Projekt ist Teil des Bundesprogramms Biologische Vielfalt, Förderschwerpunkt „Stadtnatur“

Der BKD bietet ein Bildungsprogramm für Multiplikator*innen an – eine speziell auf die Themen Biologische Vielfalt und Naturgartenprinzip ausgelegte Fachberatung für Kleingärtnerinnen und Kleingärtner. Aber auch „Gartenneulinge“ finden mit Online-Schulungen und praktischen Umsetzungen des DSJ, einen leichten Einstieg in das Thema „Kleingärtnern für Biologische Vielfalt“.


Gartenführung in der Naturgarten-Kleingartenanlage NW 18 mit Tobias Bode

Samstag, 29. Juni 2024; 14:00 – 16:00 Uhr
Treffpunkt: Eingang Kleingartenanlage
Waldhornstr. 84
80997 München

In Kooperation mit den Urbanen Gärten München führt der Referent Tobias Bode durch die mehrfach preisgekrönte Naturgarten-Kleingartenanlage in München-Moosach.

Er ist gelernter Landschaftsgärtner und Dipl.-Ing. (FH) Freiraumplanung und arbeitet u.a. als Autor und Regisseur bei »Querbeet«, der Gartensendung des Bayerischen Rundfunks. Gerade ist im Pala-Verlag sein Buch: „Unser naturnaher Kleingarten – Artenvielfalt und Ernteglück im Schrebergarten“ erschienen.

122 Parzellen liegen in der Kleingartenanlage NW 18 in München-Moosach.

Über 90% der Gärten sind im Rahmen der Initiative Bayern blüht – Naturgarten ausgezeichnet. Bei einem Rundgang zeigt Tobias Bode, der auch 2. Vorstand im NW18 ist, wie naturnahe Kleingärten aussehen können, die sowohl für eine reiche Ernte sorgen, als auch die Artenvielfalt unterstützen. Viele Tipps lassen sich auch auf kleine Gärten in der Stadt übertragen. Welche Pflanzen sind für Insekten besonders wertvoll? Wie kann ich kleine Lebensräume schaffen? Wie pflege ich einen naturnahen Garten?

„Wir werden uns auch auf die Suche begeben, welche Tiere eigentlich in einem Kleingarten leben. Denn das sind mehr, als man vielleicht auf den ersten Blick meint – lassen Sie sich überraschen!“

Anmeldung zur Gartenführung bitte bei: info@urbane-gaerten-muenchen.de

Leider gibt es keine freien Plätze mehr für diesen Termin. Wir bemühen uns für eine weitere Führung nach der Sommerpause.



Der Biodiversitätsgarten des Landesbund für Vogelschutz (LBV)

von Mai bis Oktober, bei schönem Wetter mittwochs von 16 bis 18 Uhr ist der Biodiversitätsgarten in der Kleingartenanlage NW1 für Besucher*innen offen

In seinem Biodiversitätsgarten zeigt der LBV, wie man mit kleinen Lebensraum-Strukturen im Garten auch Insekten, Vögel und andere Gartenbewohner unterstützen kann. Der Anbau von eigenem Obst und Gemüse – natürlich in Bio-Qualität – und der Wert als Erholungsort werden durch ein gesundes Ökosystem sogar gefördert. Für Kinder sind diese kleinen Biotope, wie vor allem der naturnahe Teich, mit seinen vielfältigen tierischen Bewohnern, eine Attraktion.

In der Gartensaison, von Mai bis Oktober, steht der Garten bei gutem Wetter jeweils mittwochs von 16 bis 18 Uhr für Besucher*innen offen, sodass die verschiedenen Biodiversitätsmodule auch außerhalb von Veranstaltungen besichtigt werden können und zum Nachahmen anregen. In dieser Zeit finden Sie bei der Gaststätte „Zur Linde“ (Sadelerstraße 20) Hinweisschilder, die zur LBV-Gartenparzelle leiten.

Gesonderte Termine und viele weitere Veranstaltungen, wie Workshops und Exkursionen bietet der LBV auf seiner Website an und können extra vereinbart werden.


Eine wunderschöne 3 Sat-Dokumentation über Naturgärten in Bayern, in der auch über die Anlage des Teichs im LBV- Biodiversitätsgarten berichtet wird, finden sie in der Mediathek des Senders


Text und Fotos: Ruth Mahla; Tobias Bode

Queer Gardening

Queer Gardening – Filmabend und Diskussion

Donnerstag, 27. Juni, 19 Uhr s.t.
anstiftung, Daiserstr. 15, Rückgebäude, 81371 München

Das jüngst erschienene Buch Baier/Müller/Werner (Hg.) Unterwegs in die Stadt der Zukunft. Urbane Gärten als Orte der Transformation reflektiert die neuesten Entwicklungen und Strömungen des Urban Gardening; eine davon ist Queer Gardening.

Ella von der Haide hat über mehrere Jahre hinweg queere Gärten in den USA und Kanada mit der Kamera begleitet. Der Film führt uns von einem urbanen Gemeinschaftsgarten in New York City, zu einer Gemüsegärtnerei in Oakland, zu einem künstlerischen Projekt zur Pflege indigener Apfelbäume in British Columbia sowie zum Waldgarten eines queeren Landkollektivs in Tennessee.

Im Anschluss diskutiert die Regisseurin mit der Soziologin Andrea Baier über Ökofeminismus, Identitätspolitik(en) und Begriffsentwirrungen. Im Filmgespräch knüpfen sie an ihren Dialog an, den sie im gerade neu erschienenen Buch Unterwegs in die Stadt der Zukunft begonnen haben.

Eintritt frei

Um Anmeldung wird gebeten bis zum 24.6.24 unter: info@anstiftung.de.