Noch bis zum 1. Mai können Sie die Bundestagspetition 92382 „Tierschutz – Reformierung der Risikoprüfung für Pestizide zum Schutz von Bienen und anderen Insekten vom 20.03.2019“ unterzeichnen, die vom Imkermeister Thomas Radetzki eingereicht wurde. Mit 50.000 Unterschriften kommt es zu einer öffentlichen Anhörung im Bundestag.
Zum Hintergrund der Petition:
Pestizide und ihre Folgen für Mensch und Biene
2008 starben im Rheintal tausende Honigbienenvölker durch das Pestizid Clothanidin. Das mittlerweile im Freiland verbotene Pflanzenschutzmittel aus der Gruppe der Neonicotinoide (Nervengifte) gelangte damals über den Abrieb von gebeiztem Saatgut in die Luft und setzte sich anschließend auf Trachtpflanzen der Honigbienen ab. Ohne die von Thomas Radetzki geforderten Reformen der Zulassungsverfahren für Pestizide sind weitere Vorfälle wie diese nicht ausgeschlossen.
Einige der seitdem auf den Markt gekommenen Pestizide sind sogar noch weitaus potentere Insektenkiller. Ein Teelöffel des Pestizids Cyantraniliprol etwa reicht aus, um 12,5 Millionen Bienen zu vergiften und die Hälfte zu töten. Damit ist es für Bienen etwa 6750 Mal so giftig wie das international geächtete DDT.
Pestizidrückstände in Blütenpollen und Honig zeigen Ausmaß der Umweltbelastung
Das Deutsche Bienenmonitoring ermittelt regelmäßig die Pestizidkontaminationen bei Blütenpollen. 2016 ergab die Prüfung, das 96 Prozent des Blütenpollens in Deutschland belastet seien, ein Drittel davon mit mehr als zehn verschiedenen Wirkstoffen. Internationale und nationale Studien haben darüber hinaus ein besorgniserregendes Maß an Pestizidrückständen in handelsüblichem Honig festgestellt. Bei einer Untersuchung von weltweit gesammelten Honigproben konnten in 75 Prozent der Proben Neonicotinoide nachgewiesen werden. Neonicotinoide gehören zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Insektiziden und schädigen das Nervensystem der Insekten. Die von Thomas Radetzki gegründete Aurelia Stiftung stellte im Frühjahr 2016 eine Untersuchung zu Kontaminationen von Honig durch das umstrittene, aber weiterhin zugelassene Totalherbizid Glyphosat an. Die Stiftung ließ Honigproben aus drei Bundesländern untersuchen und stellte eine zum Teil mehr als hundertfache Überschreitung der zulässigen Höchstmenge von Glyphosatrückständen in den Produkten fest. Über belastete Lebensmittel gelangen die Giftstoffe in den menschlichen Kreislauf. Der aktuelle Agrar-Atlas 2019 hält fest, bei rund 44 Prozent der Deutschen könne man anhand von Haarproben Pestizidrückstände im Körper nachweisen. In einigen anderen europäischen Ländern liege die Zahl sogar deutlich über 60 Prozent.
Pestizide im Kontext von Artensterben und Klimawandel
Die komplexen Langzeitfolgen, die die Pestizidverschmutzung auf Mensch und Umwelt hat, sind bisher kaum erforscht. Expertengremien wie die International Task Force on Systemic Pesticides mahnen aber an, dass der Einfluss von Pflanzenschutzmitteln auf die Umwelt viel größer sei, als bisher angenommen. Insbesondere die Neonicotinoide erweisen sich als recht beständig, reichern sich im Boden an und sickern in die Flüsse, wo sie wiederum verheerenden Schaden anrichten können – unter anderem an Insektenlarven.
Die mittlerweile weithin bekannte Langzeitstudie des Entomologischen Vereins Krefeld kam 2016 zu dem Ergebnis, dass die Biomasse flugaktiver Insekten in Deutschland seit 1989 um über 75 Prozent abgenommen habe. Als Hauptursache für das dramatische Insektensterben kommen neben dem generellen Verlust natürlicher Habitate durch eine fortschreitende Besiedlung und wirtschaftliche Nutzbarmachung der Landschaft vor allem die Überdüngung intensiv genutzter Ackerflächen und Wiesen und nicht zuletzt der damit regelmäßig einhergehende Pestizideinsatz infrage.
Für die konventionelle Agrarproduktion sind Pestizide weiterhin ein selbstverständlich genutztes, „systemrelevantes“ Allzweckmittel. Sie sind der unverzichtbare Bestandteil eines landwirtschaftlichen Systems, das in den vergangenen Jahrzehnten zu einer zunehmend umwelt- wie klimaschädlichen Bodenbewirtschaftung und Massentierhaltung geführt hat. Weltweit ist diese Art der Landwirtschaft für schätzungsweise ein Viertel aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. In Europa trägt sie etwa ein Zehntel zu den Gesamtemissionen bei und ist damit nach dem Energie- und Verkehrssektor der drittgrößte Klimasünder. Eine drastische Einschränkung der Pestizidanwendung dient also auch dem Klimaschutz.