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Rückblick: „In Kontakt bleiben trotz Corona: Wie erreichen wir trotzdem alle?“

Die anstiftung organisiert seit diesem Jahr regelmäßig online Netzwerk-Austauschabende für Gemeinschaftsgärten. Sie bietet damit den Gartenaktiven die Gelegenheit, miteinander Wissen und Erfahrungen zu teilen, zu diskutieren und sich zu vernetzen. Bei jedem Abend steht ein Thema im Vordergrund, zu dem es einen Impulsvortrag von ein*er Akteur*in gibt. Der Vortrag ist die Basis für den Austausch in Kleingruppen, der im Anschluss daran stattfindet. Gudrun Walesch organisiert und moderiert diese Veranstaltungen, an denen sich zahlreiche Gemeinschaftsgartenaktive aus dem ganzen Bundesgebiet beteiligen.

Wie wir in den Gemeinschaftsgärten auch in Pandemiezeiten in Kontakt bleiben können, war die Frage des Netzwerk-Austauschabends vom 23. Februar. Dazu lud die anstiftung gemeinsam mit dem Internationalen Gemeinschaftsgarten Herrenberg und den Urbanen Gärten München ein. Denn Corona stellt die Gemeinschaftsgärten seit einem Jahr vor viele Herausforderungen. Frank Tesch stellte zu Beginn der Veranstaltung die Strategien und Kommunikationswerkzeuge des Internationalen Gemeinschaftsgartens Herrenberg (BW) vor.

Strategien im Internationalen Gemeinschaftsgarten Herrenberg

Nach dem Motto des Internationalen Gemeinschaftsgartens Herrenberg „Es macht Spaß, wir machen was gemeinsam, es bringt uns Nutzen“ stehen gemeinsames Planen, Säen, Ernten und Feiern im Mittelpunkt der Aktivitäten. Aufgrund der Ansteckungsgefahr und der Hygieneregeln sind die bisherigen Routinen nicht mehr möglich. Die Gruppe steht deshalb vor der Herausforderung, diese so anzupassen, dass gemeinschaftliches Tun, Spaß haben und Ernten weiterhin für alle möglich sind. Probleme ergaben sich anfangs zum einen, weil neue Kommunikationsstrukturen für die gemeinsame Planung gefunden werden mussten, die allen die Teilhabe ermöglicht. Zum anderen fielen spontane Aktionen und Kommunikation jenseits von eingeteilten Kleingruppen weg. Dadurch waren Offenheit und Flexibilität eingeschränkt, ebenso entstanden Missverständnisse. So wurde beispielweise zu Saisonbeginn die Konsensierung der Pflanzpläne zu einer technischen Herausforderung; ein anderes Mal wurden Absenker zur Vermehrung im Beerengarten von einer anderen Gruppe als vermeintliches Gestrüpp entfernt.

Im Laufe des Jahres haben Frank und die Gartenaktiven in Herrenberg mit viel Engagement und Kreativität etliche Optionen der online-Kommunikation ausprobiert, für weniger Technikversierte schriftliche Anleitungen erstellt, eine WhatsApp-Gruppe gegründet und schließlich das Kartoffelessen als Jahresabschluss virtuell gefeiert – die Kartoffeln wurden von den Gartenaktiven individuell im „Home Dinner“ verköstigt und Fotos davon online mit allen geteilt. So sind neue Formate entstanden, die auch in nicht pandemischen Zeiten hilfreich sind. Die Erfahrungen im ersten Corona-Jahr zeigen, dass der Austausch von Informationen sowie das Teilen von Stimmungen und Eindrücken mit technischen Mitteln gut kompensiert werden können. Dennoch bleibt dabei anderes auf der Strecke, wie das gemeinsame Lernen in der (Garten-)Praxis, das Lösen unterschwelliger Konflikte und die uneingeschränkte Teilhabe aller.

Ähnliche sowie unterschiedliche Erfahrungen in den Gemeinschaftsgärten

Nach der Präsentation wurden in Kleingruppen folgende Fragen diskutiert: Wie können abwesende Gärtner*innen in das Leben und die Aktivitäten des Gemeinschaftsgartens eingebunden werden? Wie habt ihr die Verbindungen zu euren Gartengruppen aufrechterhalten? Wie werden Absprachen getroffen? Welche Kommunikationsmöglichkeiten habt ihr genutzt, ge- oder erfunden?

Die Erfahrungen im letzten Jahr waren insgesamt in den urbanen Gärten zwar ähnlich, dennoch ergaben sich je nach Struktur des Projekts unterschiedliche Herausforderungen und Lösungen. Die Gruppenkommunikation mit verschiedenen online-Medien wurde zur Barriere vor allem für ältere, weniger technikbegeisterte, nicht deutschsprachige Mitgärtner*innen und Familien. Alle Gemeinschaftsgärten haben diese Barriere abzubauen versucht, durch klassische Rundbriefe, Telefonate, Besuche, schriftliche Dokumentationen und Infotafeln in den Gärten. Die üblichen Versammlungs- und Veranstaltungsformate wurden in zeitlich gekürzter, räumlich angepasster und konzentrierter Form neu konzipiert, die Zahl der Teilnehmer*innen konsequent begrenzt. Das hat deutlich mehr Zeit, Energie und Kreativität der Gartenaktiven erfordert. Auch kamen insgesamt informelle Gespräche „zwischen Tür und Angel“ zu kurz. Doch gleichzeitig konnten Kontakte intensiviert werden, für manche (ältere) Mitgärtner*innen waren die neuen Kommunikationswege sogar ein willkommenes Mittel gegen Vereinsamung in der Isolation.

Als problematisch erwies sich nicht nur, dass nicht alle Zugang zu online-Medien haben, sondern auch, dass es so viele verschiedene Plattformen gibt, die zudem unterschiedlich genutzt werden. Allein die Einigung auf einen gemeinsamen Kanal stellte sich als Herausforderung dar. In einigen urbanen Gärten wurde allerdings schon im Vorfeld über einen Instant-Messaging-Dienst kommuniziert, sodass der Übergang reibungsloser verlief. Doch alle Gärtner*innen können auch hier nicht erreicht werden.

Die (urbanen) Gemeinschaftsgärten sind wichtiger denn je

Der Garten hat für die Teilnehmenden in der Pandemie an Wichtigkeit und Wertschätzung gewonnen. Die Beliebtheit von Gemeinschaftsgärten spiegelt sich auch im enormen Zulauf und den rasant wachsenden Wartelisten wider. Der ökologische und soziale Wert von Gemeinschaftsgärten wird mittlerweile auch von der Politik wahrgenommen. In diesem Zusammenhang verwies Gudrun Walesch auf die wohlwollende Antwort der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz auf die Bitte des Netzwerks Urbane Gärten Berlin um (ideelle) Unterstützung. Das Netzwerk sagt dazu: „Wir erkennen darin Töne der Wertschätzung, die durchaus auch was Neues haben. Ob sie Bestand haben, wird sich in Taten zur Sicherung der Gemeinschaftsgärten zeigen.“

Weitere Informationen:
https://urbane-gaerten.de/netzwerk-news/104380-in-kontakt-bleiben-trotz-corona

Bild: Folie aus der Präsentation von Frank Tesch/ (c) Frank Tesch