Zwar kennt man die Totholzhecken heute unter dem Namen „Benjeshecken“, nach Hermann Benjes, einem Landschaftsgärtner, der in den 1980er Jahren ein Flurbelebungskonzept mittels Feldhecken beschrieb. Aber sie sind ein uraltes Element in unseren Kulturlandschaften. Bauern lagerten ihr Schnittgut schon immer als Grenzmarkierung zwischen Weide- und Ackerland ab. Diese Einfriedungen boten viele Vorteile: Schutz vor Winderosion und Erhalt einer höheren Artenvielfalt. Auch in Frankreich, Belgien und England kennt man diesen durch Hecken geprägten Landschaftstyp (Bocage in Frankreich), wobei ihn je nach vorhandenen Material, auch Lesesteinwälle, Wallhecken und Knicks dominieren.
In Norddeutschland heißen die grünen Bänder Knicks. Bei ihnen handelt es sich meist um mit Sträuchern und Bäumen bestandene Erdwälle, die über Jahre hinweg wild wachsen und einzigartige Ökosysteme für zahlreiche Pflanzen und Tiere darstellen. Der Begriff „Knick“ leitet sich von dem Knicken von Zweigen und dünneren Ästen ab, was Höhen- und Breitenwachstum begrenzen soll.
Für eine Benjeshecke wird Totholz (Wurzel- und Stammteile, Äste, Zweige, Reisig) in Streifen oder als Wall locker gestapelt. Zwischen zwei Reihen von Pfählen werden Äste unterschiedlicher Dicke aufgeschichtet. So entstehen mehr oder weniger dichte, zaunartige Hecken. Baumstümpfe, Laub oder auch Rasenschnitt können mit verwendet werden.
Nach und nach werden die gebauten Hecken von den verschiedensten Tieren besiedelt: Vögel bauen darin ihre Nester, Igel finden Unterschlupf, und auch für etliche andere Arten bieten sich darin geschützte Winterquartiere. Außerdem ist es ein wahrer Tummelplatz für unzählige Käferarten, Regenwürmer, Asseln, Spinnen und Insekten. Man schätzt, dass ca. 8000 Arten (Pflanzen, Tiere, Pilze) auf Totholz als Habitat und Nahrungsquelle angewiesen sind.
Die ökologischen Funktionen dieser Hecken sind vielfältig und ähnlich wie bei anderen Totholz-Habitaten auch: Sie dienen als Unterschlupf, Nistplatz und Nahrungquelle. Sie wirken sich gut auf das Mikroklima aus, schützen die Umgebung vor Winderosion und verringern den Wasserverlust durch Beschattung und Verringerung der Verdunstung am Boden. Durch die Verrottung des liegenden Totholzes wird die Bodenstruktur durch Kohlenstoff-Anreicherung erheblich verbessert und es kann Humus aufgebaut werden.
Unser Gehölzschnitt trägt so zur Rekarbonisierung der Böden bei. Klimaschädliche Transportwege oder gar CO2-Emissionen durch Verbrennen entfallen.
Mit den Jahren begrünt sich die Hecke von selbst. Im Vogelkot abgesetzte Samen keimen, einige der verbauten Äste treiben aus und allmählich entsteht ein biodiverses kleines Ökosystem mit Licht- und Schattenzonen.
Benjeshecken-Workshop im Ökologischen Bildungszentrum (ÖBZ)
Einen ausführlichen Foliensatz zum Workshop von Konrad Bucher findet ihr hier
Angerottete Stämme als Boden bieten zahlreiche Hohlräume und damit Lebensraum für viele Bodentiere, Pilze und Flechten.
Diese beschleunigen den Zersetzungsprozess und lassen nährstoffreichen Humus entstehen.
Die Robinienstämme sind in einem schönen Schwung im Boden verankert worden.
Benjeshecken können auch als kreative Land-Art-Elemente gestaltet werden. Die Akzeptanz der in aufgeräumten Gärten noch unüblichen Naturgarten-Elemente kann damit erhöht werden.
Beim Auffüllen mit verschieden farbigen Schnittgut entsteht ein attraktives Streifenmuster.
Literatur:
WERNER DAVID, 2020. Lebensraum Totholz: Gestaltung und Naturschutz im Garten. 4. Auflage. pala verlag gmbh
HERMANN BENJES, 1994. Die Vernetzung von Lebensräumen mit Feldhecken. 4., überarb. u. erw. Auflage. Natur & Umwelt-Praxis – Band 1. Bonn: Natur & Umwelt Verlag.
Kaum ein anderer Lebensraum weist eine vergleichbare strukturelle Vielfalt auf und bringt einen so großen Artenreichtum hervor wie abgestorbene Bäume in ihren verschiedenen Verfallsphasen. Je nach Standort, Holzart und Exposition, ob Wurzel, Stamm, Borke, Rinde, Zweige, Zapfen und je nachdem wie das Holz eingebaut wird (stehend, liegend, auf Haufen oder als Wälle geschichtet), stellt es einen einzigartigenLebensraum für eine Fülle von Lebewesen dar. Deswegen sind die von Ökologen oft verwendeten Begriffe „Biotop- oder Habitatholz“ bezeichnender.
Der Anteil von Totholz an der gesamten Holzbiomasse in einem Urwald in Mitteleuropa liegt bei 10–30 Prozent, in Wirtschaftswäldern macht dieser Anteil häufig nur noch 1–3 Prozent aus. Für eine nachhaltige Waldwirtschaft, sowie für Natur- und Artenschutz brauchen wir viel mehr Habitatholzelemente – stehend und liegend, in allen Zerfallsphasen.
Jeder Habitatholztyp birgt charakteristische Lebensgemeinschaften und viele Rote-Liste-Arten sind auf diese speziellen Lebensräume angewiesen
An jede Zersetzungsphase sind spezialisierte Lebewesen gebunden: In der Pionierphase dringen erste Organismen wie Bock-, Borken- und Prachtkäfer sowie Holzwespen in den Holzkörper ein und ernähren sich von Rinde und Splintholz. Die Bohrlöcher von Larven fördern das Eindringen von Pilzen und weiteren Insekten. Pilze sind in der Lage Lignin und Zellulose, die Bestandteile des Holzes, abzubauen und aufzuschließen. Wenn die Myzelien, die Pilzfäden verschiedener holzbesiedelnder Pilze, den Stamm komplett durchwuchern, wird dieser immer weicher und morscher. Das Totholz erreicht einen zunehmenden Zersetzungsgrad, das Pilzgeflecht durchdringt das Holz und bildet wiederum die Nahrungsgrundlage zahlreicher Totholzinsekten wie Buntholzkäfer und Holzwespen, Fliegen und Mücken, Ameisen und Schmetterlingen. Diese locken ihrerseits wieder räuberische Nachfolger an, z.B. Feuer- und Schnellkäfer und verschiedene Wespenarten.
In noch stehenden, besonnten Stämmen picken Spechte auf der Suche nach Proteinen die Stämme an und hämmern Höhlen für ihren Nachwuchs. Diese Höhlen werden von vielen weiteren Insekten, aber auch Vögeln wie Hohltauben, Kleibern, Meisen, Eulen, Staren und Säugetieren wie Fledermäusen, Eichhörnchen, Siebenschläfern, Mäusen, Baummardern, Wildkatzen u.v.m. genutzt.
Solche Höhlen können sich zu inneren Mulmkörpern in den Stämmen entwickeln, die einen speziellen Lebensraum für weitere Arten bilden. Diesen mürben Holzmulm bzw. dessen Hauptbestandteile Zellulose und Lignin werden von Pilzen und Bakterien humifiziert und mineralisiert. Das gesamte Bodenleben – Zersetzer und Räuber – bestehend aus Bakterien, Algen, Pilzen, Flechten, Geißeltierchen, Amöben, Wimpertierchen, Milben, Springschwänzen, Asseln, Fadenwürmern, Borstenwürmern, Regenwürmern, Insekten, Spinnen, Schnecken, Tausendfüßlern hinterlässt durch seine Ausscheidungen wertvollen Humus und Mineralstoffe, die den Nährboden für die kommende Baum- und Strauchgeneration bilden.
Auch hier begleiten spezialisierte Schnecken- und Insektenarten, aber auch Amphibien und Reptilien, diese letzte Phase im Leben eines Baumes. Die Erdkröte und die Waldeidechse suchen z.B. liegendes Totholz zum Sonnenbaden oder zum Überwintern auf. Auch Blindschleichen und Kreuzottern besetzen Baumhöhlen in Bodennähe gerne zum Überwintern und als Nistplatz
Mikroklimatische Besonderheiten von Totholz
Neben dem biologischen Reichtum ist das Habitatholz auch wichtig für den Erosionsschutz, das Mikroklima, die Wasser- und Nährstoffspeicherung und die Bodenbildung, die C02-Bindung im Kontext des Klimawandels, die Sauerstoffproduktion und die Luftfilterung.
Am Boden liegendes Totholz wirkt ausgleichend auf das Mikroklima in der Umgebung. Einerseits führen die dunkle Oberfläche sowie die geringe Wärmeleitfähigkeit von Holz dazu, dass es am und im Holz wärmer ist. Andererseits kann Totholz seine unmittelbare Umgebung auch vor Hitze schützen, da es infolge des erhöhten Wassergehaltes Temperaturschwankungen ausgleichen kann. Dadurch trocknet der Boden der Umgebung weniger rasch aus.
Schutz der wertvollen Habitatholz-Lebensgemeinschaften
Nur in Sachsen werden „höhlenreiche Einzelbäume“ und „totholzreiche Altholzinseln“ explizit geschützt.
In allen anderen Bundesländern besteht nur ein indirekter Schutzstatus, wie z.B. bei Streuobstwiesen, Wallhecken, Flurgehölzen und Bruchwäldern. Ein Schutz ist weiterhin über die FFH-Richtlinie (Lebensräume bedrohter Arten/4) oder nach Einzelanordnung oder -ausweisung zu erreichen.
Forstwirtschaft
Der inklusionistische Ansatz der Forstwirtschaft in Deutschland möchte den wirtschaftlichen und den gesellschaftlichen Nutzen, sowie alle ökologischen Funktionen, auch den Naturschutz, auf denselben Flächen realisieren. Deswegen wird ein großer Teil der Waldfläche Deutschlands forstwirtschaftlich genutzt und die ökologischen Belange dabei nicht genügend beachtet. Die meisten Bäume werden gefällt, bevor sie den natürlichen Alterstod sterben könnten. Die typischen Alters– und Zersetzungs-phasen fallen meist aus. Insbesondere der angestrebte Kronenschluss im Altersklassenwald verhindert das Entstehen von Lichtungen mit stärkerer Sonneneinstrahlung und damit die Vielfalt unterschiedlicher Lichtmosaike und Zersetzungsbedingungen.
Lange Zeit wurde aus Mangel an Brennmaterial der Wald „sauber“ gehalten, später kam die Ansicht dazu, den im Totholz lebenden „Schädlingen“ vorbeugen zu müssen.
Inzwischen gibt es eine Totholzempfehlung in der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung, die jedoch im föderalen System keine unmittelbare Gesetzeskompetenz besitzt.
Im Rahmen der Nationalen Biodiversitätsstrategie sollen 5% der Waldfläche in Deutschland dauerhaft unbewirtschaftet bleiben, was derzeit aber nicht einmal in Nationalparks verwirklicht wird. Es gibt aber zahlreiche Projekte und Förderungen des BfN, die auch den Lebensraum Totholz im Blick haben:
In den Forstrahmenplänen und Landschaftsplänen wird versucht, die Interessen von Naturschutz, Biodiversitätsschutz und Forstwirtschaft miteinander in Einklang zu bringen. Aufgrund der enormen Bedeutung für Waldökosysteme ist das Vorhandensein von Totholz ein wichtiges Kriterium. Für die Zertifizierung nachhaltiger Forstwirtschaft muss ein kleiner Prozentanteil der Fläche aus der Nutzung genommen werden und es gibt Leitlinien zum Erhalt eines Minimums starker toter Bäume .
Auf der Website der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft kann man sich über ein Naturschutz- und Forschungsprojekt zur Totholzanreicherung der TU München zusammen mit den Bayerischen Staatsforsten informieren: „Mehr Artenvielfalt durch mehr Totholz“
Totholz-Ersatzhabitate
Deswegen ist es unbedingt erforderlich, Ersatzhabitate in Wäldern, Grünanlagen und Gärten – auch in städtischen Quartieren – mit Laub, Gehölzschnitt, Wurzeltellern, Baumstämmen und -Scheiben zu schaffen.
Aus Gehölzschnitt lassen sich z.B. Benjeshecken als Sichtschutz und Gestaltungselement herstellen. Abgesägte Stämme können angelehnt oder eingegraben, natürliches stehendes Totholz nachahmen. Ein besonders dekorativer Blickfang und zugleich wertvoller und vielfältiger Lebensraum ist der mit einheimischen Wildarten bepflanzte Wurzelgarten, oder „stumpery“. Die vielen unterschiedlich exponierten Hohlräume schaffen Lebensräume für Sonnenanbeter wie für Schattenliebhaber.
Einen guten Überblick über natürliche und gebaute Totholzlebensräume in Wald und Garten geben u.a. diese Websites und Bücher