Bauelemente für biodiverse Lebensräume

Über die Führung in der Naturgarten-Kleingartenanlage NW 18

Trotz der Hitze an diesem letzten Samstag im Juni hat es viele Teilnehmer*innen in die mehrfach preisgekrönte Naturgarten-Kleingartenanlage in München-Moosach NW 18 gezogen.

Unser Referent Tobias Bode ist gelernter Landschaftsgärtner und Dipl.-Ing. (FH) Freiraumplanung und arbeitet u.a. als Autor und Regisseur bei »Querbeet«, der Gartensendung des Bayerischen Rundfunks. Gerade ist im Pala-Verlag sein Buch: „Unser naturnaher Kleingarten – Artenvielfalt und Ernteglück im Schrebergarten“ erschienen. Er ist auch 2. Vorstand von NW 18 und hat seit 2018 die Anlage und seine eigene Parzelle zusammen mit seiner Frau Sabine zum Insekten-Paradies umgestaltet.

Von den insgesamt 122 Parzellen sind 115 als Naturgarten zertifiziert. NW 18 ist auch die erste Kleingartenanlage in Bayern, die als gesamte Anlage die Auszeichnung „Gold“ im Rahmen der Zertifizierung „Bayern blüht – Naturgarten“ bekommen hat. Artenvielfalt, Ressourcenschutz und die Entwicklung des städtischen Grüns sind die Hauptkriterien bei dieser Zertifizierung.

Warum Zertifizierungen?

Tobias Bode ist davon überzeugt, dass eine Zertifizierung und die damit einhergehende öffentliche Ehrung einen großen Ansporn für die Menschen darstellt. Gärtner*innen, die dem Thema noch fremd gegenüberstehen, können leichter gewonnen werden, wenn der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin beim Gartenfest vorbeikommt und eine Plakette überreicht. Die Anforderungen von „Bayern blüht“ sind nicht die strengsten. Anders als bei der Prämierung von Naturgarten e.V. dürfen z.B. invasive Neophyten, wie der beliebte Schmetterlingsflieder bleiben.

Ein anderer Grund schwingt auch immer mit: Einige urbane Gärten sind wegen des Baudrucks in ihrer Existenz bedroht, ihr Status ist nicht gesichert. Es ist sicher eine gute Argumentationshilfe gegen eine Auflösung oder Verlegung eines Gartens, wenn eine seltene Art nachgewiesen und der Garten öffentlich ausgezeichnet wurde.

Wenn Sie eine Zertifizierung eines urbanen Klein- oder Gemeinschaftsgartens als Naturgarten im Rahmen der Zertifizierung „Bayern blüht – Naturgarten“ erwägen, lesen Sie bitte hier weiter und informieren Sie sich über den „bayerischen Weg zur Gartenzertifizierung“.

Der naturnahe Lehrpfad als Gemeinschaftsprojekt

Auf der Gemeinschaftsfläche von NW 18 ist ein Lehrpfad mit gebauten Lebensräumen und begleitenden Infotafeln entstanden, alle Stationen sollen als Anregung dienen, sie in kleineren Maßstab in der eigenen Parzelle umzusetzen. Um von Anfang an möglichst viele zu begeistern, wurde die Anlage des Lehrpfads zusammen mit den Gärtner*innen geplant und gebaut. Ziel des Gemeinschaftsprojekt war es auch, dass jede*r für die eigene Parzelle das Passende finden kann. Viele Tiere, die mit den Kleinbiotopen angelockt werden, helfen auch beim Anbau von Obst und Gemüse: Laufkäfer, die im Totholzhaufen einen Lebensraum finden, fressen Nacktschnecken. Solitäre Wespen, Schwebfliegenlarven und Marienkäfer dezimieren Blattläuse und Wildbienen bestäuben die Obstbäume.

Einige Stationen des Lehrpfades

Ein wichtiges Kriterium bei der Anlage dieser naturnahen Lebensinseln ist es, dass ressourcenschonend mit schon vorhandenen Materialien gebaut wird, wie zum Beispiel das wunderschöne Hochbeet aus alten Betonplatten als vollsonniger Trockenstandort.

Tobias erklärt uns den Lebensraum Totholz

Umsetzung der Lehrpfad-Stationen in den Parzellen

In der Parzelle von Sabine und Tobias gibt es besonders viele biodiverse Lebensräume zu entdecken: Totholzstrukturen, Trockenmauern und ein Sandarium stechen ins Auge – vergesellschaftet mit Gemüse und Blumen. Mehr Mischkultur geht nicht.

Sandarium
Trockenmauern
Totholz, Muskatellersalbei, Kürbis….

Tatsächlich: Während ich den Muskatellersalbei bewundere, fliegt eine riesige Blauschwarze Holzbiene vorbei – leider zu schnell für mich – ich hab sie nicht richtig erwischt, deswegen ist dies eine Aufnahme von Tobias Bode.

Sabine stellt uns die tierischen Gäste in der 250 m2 großen Parzelle vor, darunter die wunderschöne Schwalbenschwanzraupe und eine Blattschneiderbiene mit Blattstück im Gepäck im Anflug auf ihren Nistplatz.

Aber auch viele andere Parzellen sind vorbildhaft als Lebensraum für Mensch und Tier gestaltet: Wunderschön und absichtsvoll wild – ein Besuch lohnt sich wirklich!

Handreichung naturnahe Kleingärten

Die Frage, ab wann ein naturnaher Kleingarten zu verwildert ist, beschäftigte viele Teilnehmer*innen. Daher haben wir auch 2 vernachlässigte Parzellen besucht, die sichtlich nicht mehr gepflegt wurden. Tobias hat uns eine sehr praktische Handreichung zu diesem Thema vom BEZIRKSVERBAND BERLIN-SÜDEN DER KLEINGÄRTNER e.V. zukommen lassen. Natürlich haben die Vorstände von Kleingärten die Pflicht, bei Verwahrlosung von Parzellen nachzuforschen und – falls bei den Pächter*innen kein Interesse mehr besteht – den wertvollen und meist heiß begehrten Platz zu vergeben. In fast allen Kleingärten gibt es ja lange Wartelisten.

Wildnis und Kultur

Die Essenz des Gartenrundgangs mit Tobias ist für mich: Ein Garten – auch ein Naturgarten – ist eben doch immer ein von Menschen angelegtes und betreutes Areal – eine absichtsvolle Wildnis – ein Ort der friedlichen und behüteten Koexistenz von Menschen, Tieren und Pflanzen. Vielleicht könnte man es auch so definieren:

Ein naturnaher urbaner Garten ist ein Versöhnungsangebot des Menschen an die Natur – der Versuch einer Einhegung oder Eingemeindung der verdrängten Wildnis in die menschliche Sphäre.


Text und Fotos: Ruth Mahla

Queer Gardening

Queer Gardening – Filmabend und Diskussion

Donnerstag, 27. Juni, 19 Uhr s.t.
anstiftung, Daiserstr. 15, Rückgebäude, 81371 München

Das jüngst erschienene Buch Baier/Müller/Werner (Hg.) Unterwegs in die Stadt der Zukunft. Urbane Gärten als Orte der Transformation reflektiert die neuesten Entwicklungen und Strömungen des Urban Gardening; eine davon ist Queer Gardening.

Ella von der Haide hat über mehrere Jahre hinweg queere Gärten in den USA und Kanada mit der Kamera begleitet. Der Film führt uns von einem urbanen Gemeinschaftsgarten in New York City, zu einer Gemüsegärtnerei in Oakland, zu einem künstlerischen Projekt zur Pflege indigener Apfelbäume in British Columbia sowie zum Waldgarten eines queeren Landkollektivs in Tennessee.

Im Anschluss diskutiert die Regisseurin mit der Soziologin Andrea Baier über Ökofeminismus, Identitätspolitik(en) und Begriffsentwirrungen. Im Filmgespräch knüpfen sie an ihren Dialog an, den sie im gerade neu erschienenen Buch Unterwegs in die Stadt der Zukunft begonnen haben.

Eintritt frei

Um Anmeldung wird gebeten bis zum 24.6.24 unter: info@anstiftung.de.

Bericht zum Frühjahrs-Netzwerktreffen der Urbanen Gärten München 

Das Frühjahrs-Netzwerktreffen der Urbanen Gärten München, das dieses Jahr wieder zusammen mit der Pflanzentauschbörse im Ökologischen Bildungszentrum (ÖBZ) stattgefunden hat, stand unter dem Motto „Vielfalt bewahren“.

Die Pflanzentauschbörse war bei strahlenden Sonnenschein (unerwartet) gut besucht – gefühlt hunderte zarte Pflänzchen wechselten die Besitzer*innen. Besonders viele verschiedene Tomatensorten erfreuten das Gärtner*innenherz – aber auch viele Stauden und Wildpflanzen eroberten sich ein neues Zuhause.

Bodenkoffer „light“

Am Stand der Urbanen Gärten München präsentierten wir unseren druckfrischen Flyer, die neue Postkartenserie und den Bodenkoffer light – eine DIY-Anleitung für eine einfache und ganzheitliche Bodenuntersuchung, bei der man sich alle Utensilien aus ausgedienten Haushaltsartikeln zusammenstellen kann.

Themen des Netzwerktreffens

Als besonderes Highlight stellte Gabi das Projekt Bohnenvielfalt am ÖBZ vor und gab Einblicke in das  Bohnen-Saatgutarchiv. Das ÖBZ ist Partner des Global Bean Project, ein Netzwerk von Einzelpersonen und Organisationen, die sich dem Anbau von Hülsenfrüchten und deren Verwendung in unseren Küchen verschrieben hat. Hülsenfrüchte werden als gesunde, nachhaltige, boden- und klimaschonende Alternative zu Fleisch für die Landwirtschaft und unsere Ernährung immer wichtiger. Der Erhalt von vielfältigem und an den Standort angepasstem Saatgut ist einer der wichtigsten Beiträge, die die Urbanen Gärten in München und weltweit leisten können.

Projektbeschreibung

Die Gartengruppe sammelt seit vielen Jahren Bohnensorten aus aller Welt. Eine Teilnehmerin führte 2011 im Experimentiergarten das Praxisprojekt „Welt der Bohnen – Bohnen der Welt“ durch. 60 Bohnensorten wurden damals ausgesät und auf Wuchseigenschaften, Krankheitsanfälligkeit, Ertrag und Geschmack beobachtet und getestet. Viele weitere Gartenmitglieder haben sich seitdem „vom Bohnenfieber packen lassen“. Die Sammlung ist seitdem auf über 150 Sorten angestiegen und wird archiviert und online – und eben auch auf unserem Netzwerktreffen – präsentiert.

Die Bohnengruppe wirbt um weitere Bohnenvermehrer*innen

Die Bohnengruppe am ÖBZ sucht weitere Gartenbegeisterte, die mithelfen wollen, die wertvollen Bohnensorten zu erhalten. Die Bohnen müssen regelmäßig angebaut werden, denn das Saatgut ist nur wenige Jahre lang keimfähig. Teilnehmer*innen bekommen das Saatgut einer Sorte (25 Korn), pflanzen diese Sorte in Ihrem eigenen Garten an und geben etwas von dem geernteten Saatgut (200 bis 300 Korn) zurück. Erfahrungen sollten in dem Bohnenbschreibungsbogen dokumentiert werden.

Habt ihr Interesse? Dann schreibt uns an bohnen@oebz.de

Anleitung zur Bohnenvermehrung [PDF]

Beschreibungsbogen.pdf


Logo BioDivHubs

Der Garten wächst ins Quartier …

Konrad Bucher stellte anschließend die vielfältigen Projekte vor, die dieses Frühjahr im Rahmen des Projekts „BioDivHubs – Biodiversität ins Quartier“ am Ackermannbogen und im ÖBZ verwirklicht werden konnten.

Einen Bericht zum Bau der Benjeshecke im ÖBZ findet ihr hier und alle Informationen zum Projekt „Naturschutz auf dem Balkon?“ gibt es auf der Website des Ackermannbogen e.V.

Die Urbanen Gärten München und das BioDivHubs-Projekt

Im Projekt „BioDivHubs – Biodiversität ins Quartier“ ist eine Schnittstelle zu den Urbanen Gärten München angesiedelt, die dafür zuständig ist, die Ergebnisse, Workshops und Vorträge des Projekts in die nicht direkt beteiligten urbanen Gärten zu bringen. Interessierte Gartenkoordinator*innen können sich gerne unter info@urbane-gaerten-muenchen.de melden, wenn sie Interesse an Workshops in ihrem Garten haben.

Für feine Verpflegung mit Heißgetränken und leckeren Kuchen sorgten die Gärtner*innen und Frauke Feuss vom ÖBZ, die wie immer zusammen mit dem Team der Urbanen Gärten München das Netzwerktreffen ausgerichtet hat. Vielen Dank dafür!

Ausblick: Nächster Termin

Das nächte Netzwerktreffen der Urbanen Gärten München wird am Freitag, den 25.10.2024 im Ökologischem Bildungszentrum (ÖBZ) stattfinden.

Wir freuen uns auf Eure Teilnahme: Bitte beteiligt euch, lernt neue Gärtner*innen und spannende Projekte kennen und stellt eure eigenen Garten-Projekte vor. Wir wünschen uns vielfältigen Austausch und Diskussion. Wie geht es uns mit und in unseren Gärten? Was läuft gut, was für Probleme tauchen immer wieder auf? Wie können wir uns gegenseitig unterstützen und beraten?

Gemeinsam sind wir viel stärker und können für uns etwas erreichen!


Text und Fotos: Ruth Mahla